Die Landkarte der Zeit
metaphysischen Natur beraubt und ganz gemein instrumentalisiert
hatte, um nicht mehr zu spät zu seinen Verabredungen zu kommen.
Charles und Andrew nahmen in zwei bequemen Jakobinersesseln vor dem Schreibtisch Platz, einem majestätischen Möbelstück mit
kurzen, geschwungenen Beinen vor einem riesigen Fenster, das Murray einrahmte. Durch die bleiverglasten Scheiben strömte ein
Schwall Licht herein, der dem Arbeitszimmer eine heiter-ländliche Atmosphäre gab und den Eindruck erweckte, der Impresario
verfüge über eine eigene Sonne, während der Rest der Welt in einem fahlen Morgen dahindämmerte.
«Ich hoffe, Sie können uns den unsäglichen Gestank am Hauseingang nachsehen», entschuldigte sich Gilliam sogleich und zog
ein verdrießliches Gesicht. «Es ist das zweite Mal, dass man mir die Fassade mit Exkrementen beschmiert. Vielleicht ist es
das Werk einer militanten Gruppe, die mit dieser widerlichen Methode versucht, unserem Unternehmen zu schaden.» Er zuckte
düster die Schultern, wie um seinen Unwillen zu unterstreichen. «Nicht jedermann ist offenbar der Meinung, dass Zeitreisen
dem Allgemeinwohl dienen. Und doch ist es die Allgemeinheit, die danach ruft, seit das wunderbare Buch von Mr. Wells erschienen ist. Akte von Vandalismus, etwas anderes kann ich darin nicht sehen, da deren Urheber weder |125| Forderungen stellen noch Bekennerschreiben hinterlassen. Sie versauen mir einfach nur den Hauseingang.»
Nach diesen Worten verlor sich Gilliam Murrays Blick im farbigen Flirren der Luft. Einige Sekunden hing er so seinen Gedanken
nach, dann schien er sich zu besinnen, richtete sich auf und schaute seine Besucher interessiert an.
«Nun sagen Sie, Gentlemen, womit kann ich Ihnen zu Diensten sein?»
«Es wäre schön, wenn Sie mir eine private Reise zum Herbst des Jahres 1888 ermöglichen könnten», antwortete Andrew, der ungeduldig
darauf gewartet zu haben schien, dass der Riese ihnen das Wort überließ.
«Zum Herbst des Schreckens?», fragte Murray überrascht.
«Genau. Eine Reise in die Nacht des 7. November.»
Gilliam betrachtete sie einige Sekunden schweigend. Schließlich zog er, ohne seine Enttäuschung verbergen zu wollen, eine
Schreibtischschublade auf und entnahm ihr einen Stoß zusammengebundener Papiere. Er ließ ihn verdrossen auf die Tischplatte
fallen wie etwas, das schwer auf ihm lastete und das er stillschweigend ertragen musste.
«Wissen Sie, was das ist, Mr. Harrington?», seufzte er. «Das sind Briefe und Bittstellungen, die wir täglich bekommen. Es gibt Leute, die wollen, dass wir
ihnen einen Spaziergang in den hängenden Gärten von Babylon organisieren; andere möchten Cleopatra, Galilei oder Platon kennenlernen,
wieder andere möchten mit eigenen Augen die Schlacht von Waterloo sehen, beim Bau der Pyramiden dabei sein oder bei der Kreuzigung
Christi. Jeder möchte seinen speziellen historischen Augenblick besuchen und |126| meint, er brauche bloß seinem Kutscher die Adresse anzugeben. Sie glauben, die Vergangenheit hielte sich zu unserer Verfügung.
Sie wollen ins Jahr 1888 reisen. Ich zweifle nicht daran, dass Sie gute Gründe dafür haben, wie übrigens alle diese Briefeschreiber
hier, nur fürchte ich, dass ich Ihnen da nicht helfen kann.»
«Es sind doch nur acht Jahre, Mr. Murray», erwiderte Andrew. «Und ich bin bereit, Ihnen dafür zu zahlen, was Sie wollen.»
Murray lächelte bitter.
«Es ist weder eine Frage von Zeitdistanzen noch von Geld. Wenn dem so wäre, bin ich überzeugt, dass wir zu einer Einigung
finden würden. Das Problem ist, wie soll ich sagen, technischer Natur. Wir können nicht in eine beliebige Zeit reisen; weder
der Vergangenheit noch der Zukunft.»
«Sie können uns nur ins Jahr 2000 bringen?», fragte Charles, sichtbar enttäuscht.
«So ist es, Mr. Winslow», bedauerte Murray und richtete seinen betrübten Blick auf Charles. «Wir hoffen zwar, unser Angebot in Zukunft erweitern
zu können, aber zurzeit bieten wir, wie Sie unserem Prospekt entnehmen können, nur den 20. Mai des Jahres 2000 an, den historischen Tag der Entscheidungsschlacht zwischen den vom grausamen Salomon angeführten Maschinen
und der Menschenarmee unter Führung des tapferen Hauptmanns Shackleton. Finden Sie nicht, dass das ein ausreichend aufregendes
Ziel ist, Mr. Winslow?», fragte er mit einem gewissen Spott in der Stimme, der erkennen lassen sollte, dass er dabei die Gesichter derer
vor Augen hatte, die
Weitere Kostenlose Bücher