Die Lange Erde: Roman (German Edition)
Strunk nieder, einer bröseligen Masse bunter Pilzgewächse. Die Begegnung mit Sally machte ihn immer noch sprachlos, dieser Wirbelwind aus Worten, der sich offensichtlich in ihr aufgestaut hatte. Und sie reiste allein, so wie er früher. Ein Gedanke, für den er sich durchaus wieder begeistern könnte. In seinen früheren Auszeiten hatte er auf vielen Welten wie dieser überlebt.
Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass er kein blödes Riesenluftschiff mehr über seinem Kopf schweben haben wollte.
Joshua steckte den Ohrhörer wieder an und überlegte, was er sagen wollte. Was hatte Schwester Agnes immer gesagt, wenn irgendein hochtrabender Kirchenmensch sich im Heim aufspielen wollte? »Hörst du mich, Lobsang? Du hast mir überhaupt nichts zu sagen, kapiert? Das Einzige, was du hier und jetzt machen kannst, ist mich umbringen, und dann hättest du mir noch immer nichts zu sagen.«
Keine Antwort.
Er stand auf und schlenderte bergab, falls man das bei dem geringen Gefälle so nennen konnte. Aber der Boden war eindeutig ein wenig abschüssig, und das deutete auf einen Fluss hin, und das wiederum verhieß offenes Land, Schutz und so gut wie sicher irgendwelches Wild. Alles, was er brauchte, um hier zu überleben.
»Du hast recht, Joshua«, vernahm er Lobsangs Stimme schließlich. »Ich habe dir nichts zu sagen, und das will ich auch gar nicht. Andererseits kann ich mir auch nicht vorstellen, dass du es mit deinen Andeutungen, das Schiff zu verlassen, wirklich ernst meinst. Wir haben uns auf dieser Reise doch einiges vorgenommen, schon vergessen?«
»Ist mir egal. Jedenfalls kidnappe ich niemanden, Lobsang.« Er unterbrach sich. »Also gut, ich komme an Bord. Aber nur unter gewissen Bedingungen.«
Das Luftschiff stand jetzt direkt über ihm.
»Vor allem will ich nach Belieben von Bord gehen und wieder zurückkommen können, klar?«
Dieses Mal antwortete Lobsang über den Lautsprecher, mit dröhnender himmlischer Stimme: »Willst du etwa mit mir schachern, Joshua?«
Joshua kratzte sich an der Nase. »Eigentlich bitte ich dich darum, glaube ich. Und was Sally angeht, so habe ich das Gefühl, dass wir sie schon bald wiedersehen werden, ganz egal was du vorhast. Du findest einen einzelnen Menschen in diesen vielen Waldwelten nie wieder, aber für sie ist es nicht schwer, so ein verdammt großes Luftschiff am Himmel zu sehen. Sie wird uns finden.«
»Aber sie reist allein, so wie du. Sie ist sogar viel weiter gereist. Vielleicht braucht sie keine anderen Menschen und hat überhaupt keine Lust, uns zu finden.«
Joshua ging durch die feuchte Asche zum Reifenaufzug, der nach unten gelassen wurde. »Sie braucht niemanden. Aber ich glaube, dass sie Gesellschaft haben will. «
»Woher willst du das wissen?«
»Aus der Art und Weise, wie sie mit mir geredet hat. Die vielen Worte, die aus ihr herausgesprudelt sind, weil sie ausgesprochen werden mussten. Weil sich deine so verehrten Trapper und Pelzhändler bei ihren Begegnungen wahrscheinlich genauso verhalten haben. Weil ich genauso bin. Weil dieser Mensch namens Joshua immer wieder nach Hause zurückkehrt, um seine Leute zu besuchen und mit ihnen zusammen zu sein. Um verdammt noch mal ein Mensch zu sein, wobei ich diesen Punkt nicht überbewerten möchte, und der verkackte Daniel Boone kann mich mal am Arsch lecken.«
»Wie ich schon einmal erwähnt habe, Joshua, das Reisen hat deinen Horizont zweifellos erweitert, und dein Vokabular offensichtlich auch.«
»Und noch was anderes, Lobsang. Etwas, was dir entgangen ist. Glaubst du, dass es Zufall ist, dass sie gerade jetzt mit ihrem hell lodernden Lagerfeuer unter unserem Kiel auftaucht?«
»Also …«
»Sie wusste, dass wir kommen. Da bin ich mir sicher. Sie will etwas von uns. Die Frage ist nur, was?«
»Eine kluge Schlussfolgerung. Ich werde darüber nachdenken. Übrigens habe ich einige dieser Flugwesen gefangen und seziert. Sie sind unseren Wespen erstaunlich ähnlich, obwohl sie sich mehr wie Bienen verhalten. Eine neue Art. Deshalb sollte man sich auch vorsehen, willkürliche Bezeichnungen wie ›Dinosaurier‹ anzuwenden.«
»Hast du deine Stimme verändert?«
»Ja, ganz recht. Sie klingt jetzt freundlicher und nachdenklicher, stimmt’s?«
»Du hörst dich jedenfalls an wie ein Rabbi!«
»Ah, sehr gut geraten. Ich habe mir die Stimme von David Kossoff geborgt, einem jüdischen Schauspieler, der in den 1950er und 60er Jahren sehr bekannt war. Ich finde, dass ein gelegentliches Zögern und der leichte
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