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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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und die Polizei nach wie vor versuchte, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Heute Abend schaute sie finster auf einen Bildschirm, auf dem Brian Cowley zu sehen war, die immer bekannter werdende Galionsfigur einer hasserfüllten Bewegung namens Menschheitsliga. Der Kerl schleuderte seine manipulativen Gehässigkeiten ins Publikum, volkstümliche, selbst gestrickte Anekdoten, hinter denen sich eine ziemlich gerissene, aber sehr polarisierende und gefährliche Politik verbarg. Monica drehte spontan den Ton weg. Trotzdem transpirierte der Hass immer noch wie Schweiß aus dem Gesicht des Typen.
    Andererseits war das ganze Phänomen Lange Erde von Anfang an von Hass und Gewalt begleitet.
    Nur zwei Tage nach dem Wechseltag hatten Terroristen Anschläge auf das Pentagon und das britische Parlamentsgebäude verübt. Es hätte schlimmer ausgehen können. Der Junge, der ins Pentagon gewechselt war, hatte sich hinsichtlich der Entfernungen und Winkel verschätzt und seine selbst gebastelte Bombe in einem Korridor gezündet, weshalb der Bastler selbst ihr einziges Opfer blieb. Der britische Terrorist hatte in Geometrie eindeutig besser aufgepasst und war auf Anhieb mitten im Unterhaus aufgetaucht – aber auch er hatte seine Hausaufgaben nicht vollständig gemacht, weshalb das Letzte, das er auf dieser Welt sah, ganze fünf Abgeordnete waren, die über eine Gesetzesvorlage zur Heringsfischerei debattierten. Hätte er seinen Auftritt in die Unterhauskneipe verlegt, hätte er deutlich mehr Seelen mit sich in den Tod reißen können.
    Trotzdem hallten beide Explosionen auf der ganzen Welt wider, die Regierungen bekamen es mit der Angst zu tun. Auch Privatleute machten sich große Sorgen, denn man musste kein Genie sein, um sich auszumalen, dass, während man schlief, plötzlich jeder zu einem hereinwechseln konnte. Und dort, wo die Angst regiert, ist der Profit nie fern. Sofort wurden überall in irgendwelchen Werkstätten und Privathäusern Anti-Wechsler-Geräte entwickelt, einige davon ziemlich clever, andere einfach nur dumm – und einige davon tödlich, und zwar meistens für ihre Käufer und nicht für den befürchteten Dieb. Versuche, die leeren Flächen eines unbewohnten Raumes mit Antiwechslerfallen zu spicken, endeten damit, dass sich Kinder die Finger einklemmten und Haustiere verstümmelt wurden. Die Leute kamen schon bald darauf, dass das effektivste Gegenmittel darin bestand, die Zimmer einfach mit jeder Menge Möbeln vollzustellen, so wie im 19. Jahrhundert, und somit Wechslern keinen Platz zu lassen.
    In Wahrheit erwiesen sich die Bedenken, im großen Stil ausgeraubt zu werden, eher als urbane Angst denn als Realität. Selbstverständlich wechselten viele Menschen in andere Welten, um ihren Schulden, Verpflichtungen oder der Rache anderer Menschen zu entkommen, und es gab viele Agenten, die ihnen folgten. Natürlich gab es auch einige, die sich durch die Welten raubten und vergewaltigten und mordeten, bis sie von jemandem erschossen wurden. Im Allgemeinen aber blieb draußen in der Langen Erde die Kriminalitätsrate pro Kopf sehr niedrig, da dort der gesellschaftliche Druck, der auf der Datum so viel Verbrechen und Unruhe hervorgebracht hatte, weitgehend entfiel.
    Natürlich waren die Regierungen nicht begeistert, wenn ihre Steuerzahler einfach so außer Reichweite wechselten. Aber nur in Iran, Burma und Großbritannien hatte man ernsthaft versucht, das Wechseln zu verbieten . Die meisten Regierungen der freien Welt übernahmen zunächst ein Variante des Ägis-Plans der USA, das heißt, sie erhoben Hoheitsansprüche auf alle Entsprechungen ihres Landes in jeder dieser endlos vielen Welten. Die Franzosen beispielsweise erklärten, dass sämtliche Entsprechungen Frankreichs jedem zur Besiedlung offenstünden, der bereit sei, Franzose zu sein, und sich bereit erklärte, ein sorgsam formuliertes Dokument zu akzeptieren, in dem festgelegt war, was es eigentlich bedeutete, Franzose zu sein. Eine mutige Idee, die jedoch schon bald daran scheiterte, dass sich trotz einer landesweit geführten Debatte keine zwei Franzosen finden ließen, die sich darauf einigen konnten, was genau es bedeutete, Franzose zu sein. Und das, obwohl sofort eine andere Denkrichtung dagegenhielt, dass gerade die Eigenschaft, darüber zu streiten, was einen letztendlich zum Franzosen machte, zu jedem echten Franzosen dazugehöre. In der Praxis jedoch brauchte man – ganz egal welches Regime einem aufgezwungen wurde – nie lange, um irgendwohin zu

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