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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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wechseln, wo die Regierung nichts mehr zu sagen hatte, und zwar ganz einfach deshalb, weil es dort keine Regierung gab, ob sie einem nun wohlgesonnen war oder nicht.
    Und die Menschen? Sie wechselten einfach überall hin, wohin sie wollten. Wobei weniger oft ausschlaggebend war, wohin, als weg von dort , wo sie auf keinen Fall mehr bleiben wollten. Entsprechend zogen viele unvorbereitet und ohne großes Nachdenken los, was nicht wenige bitter bereuen sollten. Nach und nach jedoch machten die Leute die gleichen Erfahrungen, die schon vor langer Zeit Gemeinschaften wie die Amish machen mussten, nämlich dass man in erster Linie andere Menschen brauchte. Und dass man sich vorbereiten musste.
    Fünfzehn Jahre später gab es erfolgreiche und blühende Gemeinden bis tief in die leeren Landschaften der Langen Erde hinein. Nach und nach ließ der anfängliche Emigrationsschub nach, aber man schätzte, dass insgesamt ein Fünftel der Erdbevölkerung weggegangen war, um eine neue Welt zu finden – eine demografische Verschiebung, hieß es, die mit der eines Weltkrieges oder einer massiven Pandemie zu vergleichen sei.
    Janssons Meinung nach war das erst der Anfang. In gewisser Weise gewöhnte sich die Menschheit nur langsam an die Vorstellung einer unerschöpflichen Vielfalt. Denn ohne jeden Mangel an Land und Rohstoffen wurden völlig neue Lebensentwürfe möglich. Am Abend zuvor hatte Jansson im Fernsehen einer Professorin für Theoretische Anthropologie zugehört, die ein Gedankenexperiment durchspielte: »Überlegen Sie doch mal: Wenn die Lange Erde tatsächlich quasi unendlich ist, wie es inzwischen ganz den Anschein hat, dann könnte es sich die gesamte Menschheit leisten, immer nur in Jäger-Sammler-Gesellschaften zu leben, zu fischen und Muscheln zu sammeln und einfach weiterzuziehen, wenn einem die Muscheln ausgehen oder einem danach ist. Ohne Landwirtschaft kann diese Erde vielleicht eine Million Menschen ernähren. Da es zehn Milliarden von uns gibt, bräuchten wir zehntausend Erden – die uns auf einmal zur Verfügung stehen, und sogar noch viel mehr. Wir müssen keine Landwirtschaft mehr betreiben, um unsere ständig wachsende Bevölkerung zu ernähren. Brauchen wir dann überhaupt noch große Städte? Müssen wir überhaupt noch schreiben und rechnen können?«
    Aber je länger dieser gewaltige Umbruch im Schicksal der Menschheit anhielt, desto deutlicher wurde, dass für erstaunlich viele Leute die zweifelhaften Schätze der Langen Erde auf immer unerreichbar blieben. Und diese Leute wurden damit immer unzufriedener.
    Genau das bereitete Monica Jansson, während sie fünfzehn Jahre nach dem Wechseltag Brian Cowleys Auftritt mit wachsender Bestürzung verfolgte, große Sorgen.

36
    D as Luftschiff hielt wieder an. Sie befanden sich über einer öden, kahlen Welt, deren Luft sich, als Joshua es versuchte, kaum atmen ließ und die unter dem wolkenverhangenen Himmel, in den wie üblich die Raketensonden aufstiegen, nach Asche stank.
    »Eine Nachkatastrophenwelt«, sagte Lobsang. »Womöglich ein Asteroideneinschlag, aber ich tippe eher auf einen Hotspot wie den Yellowstone, ungefähr vor hundert Jahren. Auf der Südhalbkugel könnte es noch Leben geben, aber die große Säuberung der Natur dürfte noch sehr lange anhalten.«
    »Die reinste Ödnis.«
    »Selbstverständlich. Die Erde bringt ihre Kinder von Zeit zu Zeit um. Aber inzwischen herrschen andere Regeln. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Vulkan unter dem Yellowstone-Nationalpark auf der Datum-Erde irgendwann in naher Zukunft auf sehr aggressive Art und Weise aktiv werden wird. Und was passiert dann? Die Menschen wechseln einfach eins weiter. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit stellt eine derartige Katastrophe eher ein Ärgernis als eine Tragödie dar. Solange die Sonne selbst nicht stirbt, wird es irgendwo in der Langen Erde immer andere Welten geben; die Menschheit wird weiter bestehen. Sie ist gegen das Aussterben immun geworden.«
    »Ich frage mich, ob die Lange Erde zu diesem Zweck da ist.«
    »Dazu kann ich momentan noch keinen qualifizierten Kommentar abgeben.«
    »Warum hast du angehalten, Lobsang?«
    »Weil ich auf einer Mittelwellenfrequenz ein Signal empfange. Ziemlich mieser Empfang. Der Sender ist nicht weit weg von hier. Willst du mal nachsehen, wer da ruft?« Lobsangs Gesicht entsprach der perfekten Simulation eines Grinsens.
    Joshua musste zugeben, dass der Tisch im Restaurant des Luftschiffs nicht zu verachten war.

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