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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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Nägel und auch kein anderes Utensil des modernen Terrorarsenals. Einer der Kriminaltechniker hatte vermutet, dass es sich womöglich um eine Energiequelle handelte, wie bei der klassischen Kartoffeluhr. Die meisten Leute hielten es einfach nur für ein Zeichen von Wahnsinn oder vielleicht für einen besonders schrägen Sinn für Humor. Was es auch sein mochte, überall auf der Welt waren junge Menschen fieberhaft dabei, sich so ein Gerät zu basteln.
    Unter dem Wechsler in Linsays Haus hatte ein Stück Papier gelegen, auf dem, mit demselben Marker und in derselben Handschrift, gekritzelt stand: PROBIER MICH AUS . Das klang sehr nach Alice im Wunderland. Linsays Abschiedsgruß. Jansson fiel auf, dass keiner ihrer Kollegen die Anweisung auf dem Papierfetzen befolgt hatte: PROBIER MICH AUS .
    Sie nahm das Kästchen in die Hand. Es wog fast nichts. Sie machte den Deckel auf. Noch ein Stück Papier. Unter der Überschrift BAU MICH FERTIG folgten einfache Anweisungen, die wie der Entwurf des Schaltplans aussah, der letztendlich im Netz gelandet war. Man solle keine Eisenteile verwenden, stand da dick unterstrichen. Sie musste mehrere Spulen aus Kupferdraht fertigwickeln und dann die Kontakte anbringen, um die Spulen aufeinander abzustimmen.
    Sie machte sich an die Arbeit. Das Aufwickeln der Spulen war eine verblüffend angenehme Tätigkeit, auch wenn sie nicht hätte sagen können, warum. Nur sie und diese Bauteile, wie ein Schulkind, das sich sein erstes Radio zusammenbastelt. Die richtige Abstimmung war auch ganz einfach; sie spürte es sofort, als der Schleifkontakt an der richtigen Stelle saß – obwohl sie das ebenfalls nicht genauer erklären konnte und sich auch nicht darauf freute, es in ihrem Bericht beschreiben zu müssen.
    Als sie damit fertig war, machte sie den Deckel wieder zu, nahm den Schalter zwischen Daumen und Zeigefinger, warf in Gedanken eine Münze und stellte den Schalter auf WEST .
    Das Haus löste sich in einen Hauch frische Luft auf.
    Prärieblumen ringsumher, hüfthoch, wie in einem Naturschutzgebiet.
    Ihr war, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. Sie krümmte sich stöhnend und ließ das Kästchen fallen. Sie hatte festen Boden unter den Füßen, ihre blank geputzten Schuhe standen auf Gras. Die Luft in ihrer Nase roch frisch und würzig, der Gestank nach Asche und Schaum war verschwunden.
    Hatte irgendein Verbrecher sie attackiert? Ihre Hand ging zur Pistole. Sie steckte in ihrem Holster, fühlte sich aber merkwürdig an; der Kunststoffrahmen und das Magazin sahen soweit in Ordnung aus, aber das Ding klapperte.
    Vorsichtig richtete sie sich wieder auf. Ihrem Magen ging es immer noch nicht gut, aber sie hatte keine Schmerzen, ihr war eher schlecht. Sie sah sich um. Niemand zu sehen, der sie bedrohte, und auch sonst niemand.
    Sie war auch nicht mehr von vier Wänden umgeben, das Haus nahe der Mifflin Street war verschwunden. Es gab nur noch Prärieblumen und einen kleinen Wald aus dreißig Meter hohen Bäumen, darüber einen blauen Himmel, frei von Kondensstreifen und Smog. Es war wie im Arboretum, der gewaltigen Prärie-Rekonstruktion mitten in Madison. Dieses Arboretum hier schien allerdings die ganze Stadt geschluckt zu haben. Und sie stand ganz plötzlich mittendrin.
    »Ach«, machte sie. Diese Reaktion kam ihr selbst unangemessen vor. Nach kurzer Überlegung fügte sie ein »du« hinzu und schloss, obwohl sie damit das zeit ihres Lebens gepflegte Glaubenssystem des Agnostizismus mit Tendenz zu unverblümtem Atheismus verleugnete, mit einem »großer Gott«.
    Sie schob die Pistole wieder ins Holster und versuchte, wie eine Polizistin zu denken. Wie eine Polizistin zu sehen. Auf dem Boden, direkt neben ihren Füßen und dem Wechsler, den sie fallen gelassen hatte, erblickte sie jetzt Abfall. Zigarettenstummel. Und etwas, was wie ein Kuhfladen aussah. Also war Willis Linsay hierher verschwunden? Falls ja, war nirgendwo etwas von ihm zu sehen. Auch von seinen Tieren nicht …
    Schon die Luft war völlig anders. Kräftig. Berauschend. Es kam ihr vor, als könnte man high davon werden. Alles war so prächtig, geradezu überwältigend. Es war unmöglich. Wo war sie überhaupt? Vor Staunen und Verwunderung musste sie laut lachen.
    Dann wurde ihr klar, dass schon bald jedes Kind und jeder Jugendliche in Madison eins von diesen Kästchen haben würde. Und auch sonst überall. Und alle würden diesen Schalter betätigen. Auf der ganzen Welt.
    Und dann dämmerte ihr, dass es vielleicht keine

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