Die Lange Erde: Roman (German Edition)
Erde herumtreibt, ist man entweder gut in Form, oder man ist tot.« Sie grinste. »Allerdings hätte ich nichts gegen solche Beine.«
»An deinen Beinen gibt es nichts auszusetzen.« Er bedauerte den Satz, sobald er ihn ausgesprochen hatte.
Sie lachte aber nur darüber. »Joshua, du bist echt lustig und ein guter Kamerad, zuverlässig und das alles, auch wenn du ein bisschen komisch bist. Eines Tages könnten wir sogar richtige Freunde werden«, sagte sie, schon etwas sanfter. »Aber bitte keine Kommentare mehr über meine Beine. Du hast bis jetzt so gut wie nichts von ihnen gesehen, weil sie meistens in hochwertigen, reißfesten Uniformhosen stecken. Und einfach etwas zu behaupten, das gehört sich nicht, oder?«
Zu Joshuas Erleichterung traf Lobsang bei ihnen ein und lächelte. »Ich muss zugeben, dass ich durchaus mit mir zufrieden bin.«
»Damit wäre ja alles beim Alten«, meinte Sally.
»Wir haben keinen Elf gefangen«, entgegnete Joshua.
»Ach, das ist nicht mehr nötig. Ich habe erreicht, was ich wollte. In Happy Landings habe ich die Grundregeln der Troll-Kommunikation gelernt. Aber die dort ansässige Population konnte mir nur wenig über die Beweggründe der Migration sagen. Diese wilden Trolle hingegen haben mir mehr erzählen können, viel mehr. Sag jetzt nichts, Sally! Ich werde alle eure Fragen beantworten. Jetzt wollen wir uns wieder an Bord begeben. Wir haben eine lange Reise vor uns, vielleicht sogar bis zum Ende der Langen Erde. Na, wie hört sich das an? Seid ihr begeistert?«
44
A uf dem Aussichtsdeck war alles still und ruhig. Joshua war allein. Wieder an Bord hatte sich Lobsang sofort hinter die blaue Tür zurückgezogen, und Sally war in ihrer Kabine verschwunden.
Plötzlich setzte sich die Mark Twain in Bewegung wie ein Wechsler auf Speed. Joshua spähte nach draußen. Dort blitzte ein Himmel nach dem anderen wie im Stroboskoplicht auf, Landschaften gingen in rascher Folge ineinander über, Flüsse wanden sich wie Schlangen, und Joker-Welten zuckten wie grelle Blitzlichter dazwischen. Alles, was im Schiff knarren konnte, knarrte wie auf einem alten Teeklipper, der sich gerade um Kap Horn herumquälte. Das Wechseln selbst spürte Joshua tief in sich wie ein nervöses Ruckeln, wie einen prasselnden Hagelschauer. Er vermutete, dass sie inzwischen mehrere – viele – Welten pro Sekunde durchquerten.
Sally erschien stinksauer an Deck. »Was zum Teufel treibt er denn jetzt wieder?«
Joshua konnte ihr diese Frage nicht beantworten. Er sorgte sich selbst wieder einmal um Lobsangs eigenartige Launenhaftigkeit und Impulsivität.
Da kam Lobsangs mobile Einheit auch schon durch die blaue Tür geglitten. »Meine Freunde, es tut mir schrecklich leid, wenn ich euch erschreckt habe, aber ich habe mich dazu entschlossen, unsere Mission zügiger voranzutreiben. Wie bereits erwähnt, habe ich sehr viel von den Trollen gelernt.«
»Weißt du jetzt, was sie so beunruhigt?«, fragte Sally.
»Ich weiß jetzt sogar noch viel mehr. Endlich! Verkürzt ausgedrückt sind die Trolle und wahrscheinlich auch die Elfen und andere humanoide Spezies vor etwas auf der Flucht, aber nicht vor etwas Leibhaftigem – es ist eher etwas, das sozusagen in ihre Köpfe eindringt. Was wiederum das bestätigt, was wir von den Trollen in Happy Landings erfahren haben. Dieses Gefühl ist wie ein quälender Schmerz, wie Migräneanfälle, und es fegt von West nach Ost durch die Erden. Es hat schon Selbstmorde gegeben, Geschöpfe haben sich lieber von einer Klippe gestürzt, als die Pein noch länger zu ertragen.«
Sally und Joshua wechselten einen kurzen Blick.
»Ein Migräne-Monster?«, fragte Sally. »Wir sind doch nicht bei Star Trek! «
Lobsang sah sie verwirrt an. »Beziehst du dich jetzt auf die Originalfolgen, oder …«
»Das ist doch völlig bekloppt, Joshua. Kann man dieses Schiff nicht auch manuell steuern?«
»Keine Ahnung. Aber ich weiß, dass Lobsang sehr gute Ohren hat.«
»In dieser Hinsicht hat Joshua vollkommen recht, Sally.«
»Wissen die Trolle denn, was da auf sie zukommt? Hat einer von ihnen schon irgendetwas gesehen? «
»Soweit ich weiß, nicht. Aber sie stellen es sich riesengroß vor, körperlich gesehen. Für sie ist es eine Mischung aus körperlicher und abstrakter Erscheinung. So etwas wie ein immer näher kommender Waldbrand. Eine Wand aus Schmerz.«
Joshua machte sich allmählich Sorgen um die Hülle der Mark Twain , die sich deutlich beschwerte. Er wusste nicht, wo die
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