Die Lange Erde: Roman (German Edition)
klischeehafte Wahl für eine mathematische Einheit wie mich.«
»Ich ziehe die Stille vor.«
»Selbstverständlich.« Die Musik erstarb. »Es macht dir doch aber nichts aus, wenn ich in meinem Kopf weiter zuhöre?«
»Mach, was du willst.« Joshua starrte mit leerem Blick auf die neueste Landschaft.
Und die nächste und die nächste.
Er wälzte sich von seiner Couch und probierte das Klo auf diesem Deck aus. Es handelte sich um eine Chemietoilette mit einer kleinen Dusche in einem von Plastik umgebenen Abteil. Joshua fragte sich, ob Lobsang auch hier drinnen Augen hatte. Selbstverständlich, wie auch nicht?
So verging der Tag. Schließlich wurde es auf allen Erden dunkel, die vielen Sonnen gingen hinter ihren jeweiligen Horizonten unter.
»Muss ich zum Schlafen in meine Kabine gehen?«
»Die Couch lässt sich ausklappen. Einfach an dem Hebel rechts von dir ziehen. Im Stauraum darunter findest du Decken und Kopfkissen.«
Joshua probierte es aus. Die Couch war wie ein Flugzeugsitz der ersten Klasse. »Weck mich, wenn etwas Interessantes passiert.«
»Es ist alles interessant, Joshua. Schlaf jetzt.«
Während er es sich unter einem angenehm schweren Plaid gemütlich machte, lauschte Joshua dem Surren der Maschinen und spürte das leichten Schwindel erregende Ziehen beim Wechseln. Für Joshua Valienté war das Schlingern zwischen den Welten beinahe beruhigend. Er schlief rasch ein.
Als er wieder erwachte, hatte das Luftschiff erneut angehalten.
20
D as Schiff bewegte sich in der Nähe eines großen Haufens übereinandergeschobener Felsen langsam nach unten, in dem Lobsang einen Anker ausgeworfen hatte. Es war noch früh am Tag, der Himmel dunkelblau und mit wenigen Wolken besprenkelt. Trotzdem befanden sie sich hier in einer typischen Eisgürtelwelt mit blendend weißen Schneefeldern, auch wenn nicht allzu weit entfernt ein Fleck offenen Wassers zu sehen war.
Joshua weigerte sich, auch nur einen Blick aus dem Fenster zu werfen, ehe er sich nicht an der Kaffeemaschine bedient hatte.
»Willkommen auf West 33.257, Joshua. Wir liegen schon seit vor Tagesanbruch vor Anker. Ich habe gewartet, bis du wach bist.«
»Dann hast du also etwas Interessantes gefunden?«
»Schau runter.«
Auf dem Hügel, wo sie ankerten, ragten ein paar schwarze Felsbrocken aus dem Schnee, dazwischen stand ein natürliches Monument: eine einzelne Kiefer, groß, schon alt und völlig isoliert. Aber der Baum war fein säuberlich dicht über der Wurzel abgeschnitten worden; das Gewirr der Äste und der obere Stamm lagen achtlos beiseitegeworfen auf dem Boden, die blasse Scheibe Kernholz war der Luft ausgesetzt. Offensichtlich war eine Axt benutzt worden.
»Ich dachte mir, dass dich diese Spuren menschlichen Treibens interessieren würden. Der zweite Grund, Joshua, ist der: Es wird allmählich Zeit, dass wir die Sicherungskopie meiner mobilen Einheit ausprobieren.«
Joshua sah sich in der Gondel um. »Und zwar wer?«
»Du.«
Die Ausrüstung war in einem Koffer untergebracht. Vor seiner Brust sollte Joshua ein leichtes Bündel tragen, das eine Gesichtsmaske und eine Sauerstoffnotversorgung enthielt, außerdem einen Erste-Hilfe-Kasten, eine Taschenlampe, eine Pistole aus eisenfreiem Material, ein sehr dünnes Seil und ein paar andere Dinge. Auf den Rücken kam ein Paket aus Segeltuch, das ein rätselhaftes Modul in einer harten, robusten, versiegelten Kiste enthielt. Er würde sich mit einem altmodisch aussehenden Bluetooth-Ohrhörer mit Lobsang verständigen, aber er vermutete, dass die Ausrüstung noch weitere Lautsprecher und Mikrofone enthielt.
Er ging in seine Kabine zurück, kam in seinem unförmigen Michelin-Anzug zurück und streifte sich den Rucksack über. »Das verdammte Ding ist ganz schön schwer.«
»Du trägst es trotzdem immer, wenn du dich außerhalb des Schiffes bewegst.«
»Und in dem versiegelten Modul im Rucksack befindet sich was?«
»Ich«, antwortete Lobsang knapp. »Beziehungsweise eine ferngesteuerte Einheit. Bezeichne sie einfach als Back-up. Solange das Luftschiff überlebt, bleibt dieses Back-up mit den Hauptprozessoren an Bord synchronisiert. Geht das Luftschiff verloren, beherbergt dieser Tornister mein gesamtes Gedächtnis, bis du es nach Hause geschafft hast.«
Joshua lachte. »Da hast du dein Geld aber in den Sand gesetzt, Lobsang. Unter welchen Umständen soll das denn etwas bringen? Wenn wir weit genug draußen sind und das Luftschiff verlieren, kommt keiner von uns mehr nach Hause.«
»Es
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