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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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nur dass ich mir sicher bin, dass die Ziege bald abgehauen wäre, weil sie es in dieser Gesellschaft nicht lange ausgehalten hätte. Aber singen konnten sie, mein Junge, und wenn sie noch so gestunken haben, singen konnten sie, besser noch als die Waliser, wenn ich’s dir sage, die konnten vielleicht singen! Aber wenn man’s nicht besser gewusst hätte, man hätte sie glatt für Tiere gehalten.«
    Und nun betrachtete Percy die Reihe haariger, ausdrucksloser, aber nicht ausgemacht feindseliger Gesichter und sagte keck: »Ich englischer Tommy, verstanden? Auf eurer Seite! Lang lebe der Zar!«
    Vielleicht wollten sie noch ein Lied. Hatte ihm seine Mutter nicht gesagt, Musik sei die Sprache der Welt? Wenigstens steckten sie ihn nicht ins Gefängnis, erschossen hatten sie ihn auch nicht, und sie schienen auch nichts dergleichen vorzuhaben. Also präsentierte er ihnen einen inbrünstig geschmetterten Refrain von »Tipperary« und schloss energisch salutierend mit einem lauten »God save the King!«
    Woraufhin die Russen ihn damit überraschten, dass sie mit ihren dicken, plumpen Händen in der Luft herumfuchtelten und »God save the King!« grunzten, und zwar mit beachtlichem Enthusiasmus; ihre Stimmen klangen dabei wie die von Männern, die in einen Tunnel hineinbrüllten. Dann legten sie die zottigen Hände zusammen, als wären sie zu einer Entscheidung gekommen, und schließlich stimmten sie erneut »Pack Up Your Troubles« an.
    Nur war es nicht derselbe Tornister, und es waren auch nicht dieselben Sorgen. Schütze Percy bemühte sich sehr, das zu verstehen, was er da gerade hörte. Das Lied war da, das schon, aber sie sangen es wie ein Kirchenchor. Irgendwie nahmen die Sänger sein Lied auseinander, bis es ein merkwürdiges Eigenleben entwickelte. Harmonien lösten sich auf und fanden wieder zueinander wie sich paarende Aale, bis sie sich abermals in einem perlenden Klangstrudel trennten, dabei war es immer noch das gute alte »Pack Up Your Troubles«. Nein, es war ein besseres »Pack Up Your Troubles«, es war … also, es war da, es war einfach wahrhaftiger. Derartige Musik hatte Schütze Percy noch nie vernommen. Er klatschte in die Hände, und die Russen taten es ihm gleich, allerdings mit der Geräuschentfaltung von schwerer Artillerie. Sie klatschten ebenso begeistert, wie sie sangen, womöglich sogar noch begeisterter.
    Mittlerweile kam es Percy in den Sinn, dass die Flusskrebse vom vergangenen Abend eher ein kleiner Imbiss als eine richtige Mahlzeit gewesen waren. Da die Russen jetzt seine Freunde waren, hatten sie ja vielleicht sogar russische Verpflegung dabei, die sie mit ihm teilten? Unter ihren dicken Pelzmänteln sahen sie durchaus wohlgenährt aus. Es war einen Versuch wert, also rieb sich Percy den Bauch, stieß den Zeigefinger vielsagend in den Mund und machte ein hoffnungsfrohes Gesicht.
    Nachdem sie zu Ende gesungen hatten, drängten die Russen sich wieder alle umeinander, und er hörte nicht viel mehr als leises Flüstern, wie von winzigen Stechmücken, dieses leise, nervtötende Sirren, das einen die ganze Nacht am Schlafen hinderte. Schließlich waren sie wohl zu einem Entschluss gekommen, denn sie fingen wieder an zu singen. Diesmal hörte es sich wie Pfeifen und Trillern an, nach verblüffenden Imitationen von Vögeln aller Art, sehr guten Imitationen sogar, ein Hauch Nachtigall, ein bisschen Star, Vogelgezwitscher, das sich wie der schönste Tagesanbruchschor, den er je gehört hatte, in die Lüfte erhob. Trotzdem bekam er allmählich den Eindruck, als würden sie über ihn reden beziehungsweise singen.
    Dann kam einer der Russen, von den anderen argwöhnisch beobachtet, auf ihn zu und sang mit Percys Stimme »Tipperary«, und zwar einwandfrei und fehlerlos von Anfang bis Ende. Es war tatsächlich seine eigene Stimme, da war er sich ganz sicher, sogar seine eigene Mutter hätte sie als solche erkannt.
    Danach verschwanden ein paar Russen im Wald und ließen den Rest zurück, der sich friedlich rings um Percy lagerte.
    Als Percy so mit den Russen auf dem Boden saß, überfiel ihn plötzlich eine gewaltige Müdigkeit. Er war schon seit Jahren im Krieg und hatte schon ewig keinen so friedlichen grünen Flecken mehr gesehen, deshalb hatte er sich vielleicht ein kleines Schläfchen verdient. Er trank mehrere Hände voll Wasser aus dem Fluss, streckte sich trotz der behaarten Russen rings um ihn herum im Gras aus und schloss die Augen.
    Er tauchte nur langsam wieder aus seinem Schlummer

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