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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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auf.
    Schütze Percy war ein praktisch veranlagter, vernünftiger junger Mann. Deshalb beschloss er, immer noch im Gras liegend, sich in seinem Wachtraum keine Sorgen wegen dieser Russen zu machen, solange die Russen ihn nicht umbringen wollten. Hebt euch die Sorgen für eure Stiefel auf, Jungs, wie die Veteranen immer sagten.
    Stiefel! Ein Gedanke dämmerte in seinem schläfrigen Verstand. Genau darum ging es doch! Kümmere dich um deine Stiefel, dann kümmern sich deine Stiefel um dich! Er hatte sich immer fürsorglich um seine Stiefel gekümmert.
    Zu diesem Zeitpunkt kam dem Schützen Percy, der ganz allmählich wacher wurde, von seinem Krieg immer noch ziemlich mitgenommen war und sich obendrein in Raum und Zeit verloren hatte, in den Sinn, dass er sich vielleicht vergewissern sollte, ob er überhaupt noch Beine hatte, an die er diese Stiefel anziehen konnte. Man konnte seine Beine verlieren und es erst bemerken, wenn der Schock nachließ, so wurde es jedenfalls erzählt. Wie bei dem armen alten Mac, der erst feststellte, dass seine Beine weg waren, als er aufstehen wollte. Percy erinnerte sich noch deutlich daran, dass er durch diesen Wald spaziert war, aber vielleicht war das alles ein täuschend echter Traum gewesen, wer weiß, und vielleicht lag er ja immer noch in Schlamm und Blut.
    Also versuchte er sich vorsichtig aufzusetzen und freute sich aufrichtig über die Tatsache, dass er offensichtlich noch beide Hände hatte. Er drehte den geschundenen Körper langsam zur Seite, bis er mühsam nach unten sehen konnte, und – jawoll! Stiefel! Herrliche Stiefel! Und allem Anschein nach an Beinen, die höchstwahrscheinlich die seinen waren und obendrein auch noch an seinem Körper befestigt zu sein schienen.
    Stiefel allein für sich konnten trügerisch sein, genau wie Beine. Wie damals, als ein Vierzigpfünder eine Munitionskiste getroffen hatte und Percy zu dem Trupp gehörte, der losziehen und dort aufräumen musste. Der Sergeant war ziemlich still gewesen und hatte besänftigend auf ihn eingeredet, als Percy verzweifelt umherirrte, weil er im aufgewühlten Schlamm zwar einen Stiefel gefunden hatte, aber kein Bein, das zu diesem Stiefel gehörte. Der Sergeant hatte ihm auf die Schulter geklopft und gesagt: »Ach, mein Junge, da der arme Kerl auch keinen Kopf mehr hat, dürfte er es wohl nicht mal bemerken, oder? Mach einfach weiter: Soldbücher, Uhren, Briefe, alles, womit man die armen Burschen identifizieren kann. Dann richte sie so auf, dass sie über den Rand des Grabens gucken. Ja, mein Junge, stell die Leichen einfach so dort hin! Auch wenn sie noch eine Kugel abkriegen, so spüren sie dort, wo sie jetzt sind, bestimmt nichts mehr davon, aber es ist eine Kugel weniger für dich und mich. – So ist’s gut. Vielleicht ein Schlückchen Rum? Das ist die richtige Medizin für deinen Kummer.«
    Deshalb begeisterte die Entdeckung seiner Füße, seiner eigenen, immer noch mit ihm verbundenen Füße, den Schützen Percy so ungemein. Percy, der bei seinen Kameraden den Spitznamen Pimple – Pickel – hatte, denn wenn du allen Ernstes Percy Blakeney heißt, was sich wie »Black-knee« ausspricht, und du außerdem noch mit über zwanzig eine schlimme Akne hast, dann akzeptierst du Pimple als Spitznamen und bist dankbar, dass es kein schlimmerer geworden ist. Er ließ sich wieder ins Gras sinken und musste wohl wieder ein Weilchen weggedöst sein.
    Als er die Augen erneut aufschlug, war es immer noch taghell, und er hatte Durst. Er setzte sich auf. Die Russen waren immer noch da und sahen ihn geduldig an. Sie betrachten mich beinahe freundlich aus ihren pelzigen Gesichtern, dachte er.
    Vielleicht wurde sein Kopf nun ein bisschen klarer. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass er mal einen Blick in seinen Tornister werfen sollte.
    Er machte den Tornister auf und kippte den Inhalt ins grüne Gras. Er musste feststellen, dass ihn jemand bestohlen hatte! Seine Feldflasche war weg, seine Bajonettklinge war weg, ebenso das Blatt seines Klappspatens. Erst jetzt fiel ihm auf, dass auch sein Helm verschwunden war. Er wusste nicht mehr genau, ob er ihn noch aufgehabt hatte, als er aufgewacht war, aber der Gurt hing noch um seinen Hals. Verflixt noch mal, sie hatten sogar die Metallhülsen an den Schnürsenkeln seiner Stiefel und die Nägel aus den Sohlen geklaut! Alles, was aus Stahl war! Noch seltsamer kam ihm vor, dass seine Feldflasche zwar weg war, aber eigentlich nur die Metallflasche selbst fehlte – die handgenähte

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