Die langen Schatten der Erleuchtung
Hanif!“
Als Jutta außer Hörweite war, meinte Hanif: „Und heute nacht werde ich wieder auf dem Fußboden schlafen, Meister Jojo! Diese Straße mit den Frauen war mir eine Lehre!“
„Zu spät, Hanif! Jutta hat beschlossen, dass wir beide jetzt in dem Bett schlafen sollen und sie auf dem Fußboden vor dem Regal. Es liegt ihr sehr viel daran. Wir sollten dieses großzügige Angebot annehmen! Zumindest eine Weile!“
Jutta konnte nicht einschlafen. Sie lag in zwei Wolldecken eingehüllt vor dem Bücherregal. Die Matratze war steinhart. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen. Sie hörte Hanif: „Nun, Meister Jojo, was hältst du von diesem Bett? Habe ich zu viel versprochen?“
„Wie gesagt, Hanif, ich liege hier nur Jutta zuliebe. Sie möchte ihren Reichtum mit uns teilen. Und das muss man annehmen!“
„Aber es ist doch auch sehr angenehm?“
„Das Bett ist sehr, sehr weich! Ich befürchte, Hanif, auf diese Weise werden auch wir sehr rasch verweichlichen!“
„Hubertus und Mathilda haben Recht gehabt, Meister Jojo! Das Leben hier ist eine harte Prüfung für uns! Doch wir werden sie bestehen!“
Dann blieb es still. Jutta drehte sich um und versuchte eine bequeme Stellung einzunehmen. Sie hörte das Schnarchen der beiden. Den hohen Pfeifton von Hanif und das tiefe Brummen von Jojo.
Der Weise kennt das Selbst,
und er spielt das Spiel des Lebens.
Draußen ein Narr,
drinnen von Gedanken befreit.
Ashtavakra
Pauli oder wie Jojo und Hanif eine andere Art der Einfachheit erleben.
„Jutta, erzähl´ mal! Bist du gestern endlich mit Jojo weitergekommen?“
„Ich muss dich enttäuschen, Marlies, nicht, wie du denkst! Aber wir hatten ein sehr, sehr intensives Gespräch!“
„Das wundert mich, wo dir doch angeblich kein Mann widerstehen kann und sie dir alle nachlaufen, wenn du nur mit dem Finger schnippst! Diesmal scheint wohl dein Rezept nicht aufzugehen, was?“
„Wart´s ab, du wirst schon sehen, meine Liebe! Schließlich ist Jojo nicht so ein Trockenbäcker wie dein Harald!“
„Der hat seine Schwächen, das gebe ich zu. Aber immerhin ist er nicht schwul!“
„Was willst du denn damit sagen?!“
„Das weißt du ganz genau, Jutta! Auf mich wirkt Jojo irgendwie ein bisschen zu gut aussehend! Und was ich so mitkriege, scheint er ja auch nicht wirklich an dir interessiert zu sein!
„Mach´ dir mal keine Sorgen um Jojo und mich, Marlies!“, erwiderte Jutta spitz, „kümmere du dich lieber schön um deinen Harald! Und seine Oberhemden!“
Die beiden Frauen waren dabei, den Tisch zu decken. Es war Sonnabend. Harald hatte von Anfang an wochentags jegliche Beteiligung an den Arbeiten im Haushalt abgelehnt: „Bei meiner Stellung ist das einfach nicht drin! Das könnt ihr mir glauben! Wenn ihr meine Verantwortung hättet, dann wäre euch nach acht Stunden Stress auch nicht nach Abwasch oder Staubsaugen zumute. Ja, ihr denkt immer, was ist an dem bisschen Kopieren schon dran, der soll sich nicht so aufspielen! Aber es kommt gar nicht mal so darauf an, wie man etwas kopiert, sondern was man kopiert. Hat einer von euch eine Ahnung, wie viele Schecks pro Tag in einem Versicherungskonzern mit der Post von den Kunden kommen!!? Die müssen alle kopiert werden, und es darf natürlich keiner der Schecks verloren gehen! Hat einer von euch einen blassen Schimmer, was da für eine Geldsumme tagtäglich zusammen kommt!? Ihr macht euch keine Vorstellung! Und die Kopien, die qualitativ hochwertig sein müssen wie für die Werbung und den Vorstand, von denen rede ich ja noch gar nicht mal...!“ So oder ähnlich hatte Harald am Anfang ihres Zusammenlebens in der WG argumentiert, wenn es für ihn darum ging, sich an den Hausarbeiten nicht zu beteiligen. Es hatte stets damit geendet, dass jemand aus der WG resignierte: „Okay, Harald, ich erledige den Abwasch und sauge durch, und du bügelst dein Jackett, damit du bei der Verleihung deines Ordens Held der Arbeiterklasse adrett aussiehst!“
Doch zur Ehrenrettung Haralds muss man sagen, dass er zum Ausgleich das Kochen am Sonnabend übernahm. Nur für den Sonnabend. „Sonntag muss ich mich schon wieder auf meine Arbeit vorbereiten, da habe ich nicht mehr die Ruhe zum Kochen!“
So auch an diesem Sonnabend. Harald stand schon seit dem frühen Morgen in der Küche und bereitete eine Art Brunch vor, der üblicherweise gegen Mittag eingenommen wurde, denn niemand stand am Wochenende vor 10.00 Uhr auf. Haralds Gerichte waren so üppig und zahlreich, dass
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