Die langen Schatten der Erleuchtung
Costas mit der Ouzo-Flasche umher ging.
„Wenn ihr heiratet, Jutta“, rief Vera von der äußersten Ecke des Tisches, „wie heißt du denn dann? Rastelli?“
„Kleinschmidt! Einfach nur Kleinschmidt!“
„Wieso Kleinschmidt?“
„Giaccomos Mutter und Vater waren doch nicht verheiratet! Er hat doch den Nachnamen seiner Mutter.“
„Na, Hanif, du alter Hühnerhund!“ Die Teller mit den Hummerresten waren endlich abgeräumt, und Gotti hatte sich neben Hanif gesetzt.
„Gotti, wie gut du aussiehst“, meinte Hanif, „wir haben gedacht, du bist ein armer Mann!“
„Ihr habt gedacht, ich bin ein Bettler? Nein, das stimmt nicht! Ich berate die Menschen, die zu mir kommen!“
„Aber du hast doch einen Hut vor dir liegen, in den wir auch ein Geldstück geworfen haben!“
„Ja, das ist richtig! Ich gebe den Menschen eine Gelegenheit, mir auf diese Weise zu danken. Natürlich stelle ich dafür keine Rechnungen aus, schließlich bin ich kein Krämer!“
„Was bist du denn, Gotti?“
„Ich bin ein erwachter Mensch, Hanif! Ob du es glaubst oder nicht! Ihr beide bemüht euch doch um die Erleuchtung, nicht? Oder gebt ihr gar vor, sie zu besitzen? Natürlich sehe ich, dass ihr noch auf der Suche seid! Willst du etwas über das endgültige Erwachen aus diesem Traum wissen, Hanif? Jetzt und hier? Danach bist du für alle Zeiten mit der Erleuchtung durch!“
„Wenn es nicht zu lange dauert!“, antwortete Hanif, nahm einen Schluck von seinem Weizenbier und fingerte sich eine Zigarette aus Gottis Schachtel.
„Dann lasst mich mal in eure Mitte, dann kann dein Kumpel gleich auch was lernen! - Costas! Lässt du mir noch mal einen Sherry ´rüberwachsen?“
„Also, meine Lieben“, fuhr Gotti fort, als er zwischen Jojo und Hanif saß und sich auch eine Zigarette angezündet hatte, „Erleuchtung kann man nicht vermitteln und auch nicht erwerben! Das vorneweg. Macht euch also keine Hoffnung! Man muss bereit sein, sie ertragen zu können - DAS ist die Voraussetzung! Die meisten meinen, die Erleuchtung sei eine tolle Sache, die das Leben zu einem Kinderspiel macht! Und so wird sie auch von den Pseudo-Gurus verkauft, aber auch von den übrigen Irrlichtern so gesucht. Beide Seiten sind auf der Flucht vor der Erleuchtung! - Die meisten Menschen in diesem Land meinen, die Erleuchtung wird irgendwo in fremden Ländern, in den einsamen Bergen, in irgendwelchen Klöstern, bei irgendwelchen Einsiedlern wie eine ewige Flamme gehütet. Sie denken, man braucht diese Orte nur aufzusuchen und seine Fackel an dieser ewigen Flamme zu entzünden. Könnt ihr mir folgen?“
Hanif nickte.
„Die Erleuchtung ist viel simpler! Keine Sache von Turbanen, exotischen Gewändern, unverständlichen Mantras, blödsinnigen Koans oder einem Schneidersitz, bei dem man sich die Knie ruiniert. Auch nicht von Meditation, Räucherstäbchen, Fasten, Tanz und was weiß ich alles!“
„Sondern.......?“
„Jetzt kommt's, Jungs! Gut zuhören und aufpassen! Erleuchtung ist die AUFGABE ALLER HOFFNUNGEN! Das bedeutet nicht, hoffnungslos zu sein, sondern alle Glaubensbilder und Erwartungen fahren zu lassen! Auch die Aussicht auf Erleuchtung! Und aus diesem Grunde ist das Erwachen überall möglich, wo die Feuer der Hoffnungen brennen! - Schaut euch die Religionen an! Das Christentum, den Hinduismus, das Judentum, auch den Buddhismus! Wie sie alle heißen mögen! Überall brennen die Feuer der Hoffnung und die Sehnsucht auf das Morgen – auf den Messias, den großen Erlöser! Gut, das Morgen sieht bei den verschiedenen Religionen etwas unterschiedlich aus, aber dabei handelt es sich nur um Folklore! Eigentlich geht es doch immer um das Gleiche: Für mich das Beste und einen Platz zur Rechten Gottes oder Buddhas. Für die anderen die Hölle! Sollen sie schmoren!“
Costas kam an den Tisch: „Hier ist dein Sherry, Gotti!“ Und zu Jojo und Hanif gewandt: „Mein Freund Gotti ist ein Verrückter, sage ich euch! Redet er wieder wirr von seiner Erleuchtung? Lasst euch nicht irre machen! Ich sage immer zu ihm, wenn er bei mir seine Anfälle bekommt, er solle sich um den Vorstandsposten bei den Hamburger Elektrizitätswerken bewerben - die wissen Erleuchtung zu schätzen! Je mehr, desto besser!“ Costas brach in ein heiseres Gelächter aus und schlug Gotti gutmütig auf die Schulter, ehe er sich entfernte.
„Warum bekämpfen sich die Religionen? Weil sie keine
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