Die langen Schatten der Erleuchtung
ausgeleert. Seine schneeweiße, sternförmige Kopfbedeckung nahm eine beige Farbe an, und die fünf Zacken senkten sich, durchtränkt von der dunklen Flüssigkeit, herab wie die Trotteln einer Narrenkappe. Devian stand wie versteinert da, und man sah ihm an, wie er um seine Beherrschung rang, denn schließlich galt es, den Ruf als allzeit gütiger „Maitreya des Schanzenviertels“ zu wahren. Elvira und viele seiner Anhängerinnen hofften für Augenblicke insgeheim, ihr „göttlicher Geliebter“ würde sich jetzt als richtiger Mann erweisen und diesen Clown mit der Latzhose aus seinen Stiefeln heben. Doch schon breitete sich wieder ein gütiges Lächeln wie ein Sonnenaufgang über seine eben noch versteinerte Miene aus.
„Hanif, du altes Schlitzohr, das hätte ich dir gar nicht zugetraut. Wahrscheinlich habe ich dich unterschätzt! Respekt! - Doch Hanif! ...auch der Versuch, einen Erleuchteten bloßzustellen, wie du es jetzt versucht hast, kann ein wesentlicher Schritt sein, zur WIRKLICHKEIT zu gelangen. Bleibe jetzt nicht stehen bei diesem kleinen Applaus. Mache den wesentlichen Schritt! Sei mutig! Handle wie ein Weiser…! Dann haben wir Gelegenheit, das Ganze richtig zu begießen!“
Hanif blickte zum Nebentisch, griff nach einer Flasche Wasser und goss sie über sich selbst aus. Devian verbeugte sich tief vor ihm. Dann drehte er sich um, und während er milde lächelnd sein Gewand ordnete, sprach er zu seinen Anhängern: „Das war heute ein sehr lebhafter Abend, das haben wir unserem Asketen Hanif zu verdanken! Er hat uns gezeigt, dass Erleuchtung keine ernste Angelegenheit sein muss! Nehmt das mit nach Hause! Doch die Suche nach der Wahrheit ist eine Sache und das Leben in dieser Welt eine andere! Denkt bitte daran: Auch unser Gastgeber Costas gehört zu diesem Universum! Und will darin leben! Also, lasst es euch bei ihm gut ergehen!“
Wie aus dem Erdboden erschien Costas mit dem Bestellblock im Clubraum und ging an den ersten Tisch: „Nein, Yogi-Tee haben wir leider nicht mehr! Aber Wein, Bier, Ouzo, Giros, Bifteki! Mit Pommes oder Reis!“
Devian faltete seine Hände jetzt vor der Brust und verneigte sich. Alle hatten sich erhoben und erwiderten die Verbeugung. Elvira hatte ihren Gong und Klöppel an sich genommen und öffnete ihrem Meister die Tür zu dem Raum, hinter der sie mit ihm verschwand. Hanif folgte den beiden. Im Vorbeigehen wendete er sich noch einmal an die junge Frau am Nebentisch, die ihn halb bewundernd, halb spöttisch musterte: „Ich habe bei Costas für dich ein Bier als Ersatz bestellt, es kommt gleich!“
„Eigentlich bist du‘n ganz geiler Typ, Opa – wenn du‘n bisschen jünger wärst, würde ich um dich kämpfen!“
Manches Vergnügen besteht darin,
dass man mit Vergnügen darauf verzichtet.
Rosegger
Noch ´ne Diät oder wie Käthchens tödlicher Entschluss im Schlachthof besiegelt wird.
„Und wenn wir es doch mit einer Fastenkur versuchen, Käthchen?“
Marlies und Käthchen hatten sich endlich ihre Niederlage eingestanden. Ihre Schlankheitskur war gescheitert. Sie saßen alleine in der Wohnküche und beratschlagten.
„Weißt du, Marlies, ich bin kein Mensch, der nicht verlieren kann. Aber ich gönne es einfach nicht der Vera, dass sie recht behält und die Wette gewinnt! Das vergesse ich ihr nie, dass sie gleich zu mir gesagt hat: »Käthchen, du bist und bleibst sowieso ein alter Fresssack!«“
„Käthchen, ich habe es jetzt auch noch von einer Klientin von mir gehört. Als ihr Mann sie wegen einer Jüngeren verließ, hat sie ein völlig neues Leben begonnen. Und als erstes hat sie im Harz an einer Fastenwanderung teilgenommen. Sie ist danach wie ein anderer Mensch zurückgekommen. Und sie hat mir versichert, es ist einfacher, überhaupt nichts zu essen, als immer Diät zu halten!“
„ÜBERHAUPT NICHTS!!!????“
„Genau! Man verliert nämlich dann das Hungergefühl, sagt sie. Und man fühlt sich dabei beschwingt und leicht! Und sie ist danach auch nicht mehr rückfällig geworden! Im Gegenteil, sie hat noch weiter abgenommen! Bei ihrem Scheidungstermin hat ihr Ehemaliger sie fast nicht mehr erkannt!“
„Ich schlage folgendes vor, Marlies! Wir fahren jetzt zum Schlachthof, setzen uns in »Karls Eck« und besprechen das bei Sülze mit Bratkartoffeln!“
„Das ist
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