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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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Gnaden…
    Schniefend ließ sie sich auf ihr Sofa fallen.
    Du wirst nie Kinder haben.
    Sie musste lernen, damit zu leben. Sie legte eine Hand auf den Bauch.
    Die Maske war gefallen, gähnend hatte sich der Riss aufgetan. Sie blieb lange liegen, den Blick ins Leere gerichtet. Ihre Finger streichelten sanft ihren Bauch. Die Schicksalslanze… Kann man wohl sagen.
    Sie blickte auf einen Umschlag neben dem Aktenordner auf ihrem Schreibtisch. Er enthielt Banknoten, Kreditkarten und die Flugtickets, die von Ad Sedem Petri, dem Reisebüro des Vatikans, besorgt worden waren.
    Alles, was sie für die Reise brauchte.
    Am nächsten Morgen, bei Sonnenaufgang, flog sie nach Kairo.
     

3. Kapitel
    Kairo, 2006 Wüste Sinai, 2006 Vatikan, 2006
    Ich habe über G. K. Chestertons Satz nachgedacht: »Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie keineswegs an nichts, sondern sind vielmehr bereit, an alles mögliche zu glauben.« Auf die große Krise der Ideologien reagieren die Menschen nicht mit einem klaren Atheismus, sondern lassen sich im Gegenteil von allem, was mysteriös ist, seien es die Kabbala, die Rosenkreuzer, Templer oder Kirchenspaltungen faszinieren. Seit vielen Jahren wird der Buchmarkt von Werken über okkultistische, esoterische oder verwandte Themen überschwemmt, und dass der Terrorismus mystische Wurzeln hat, ist kein Geheimnis. Dieser Drang zum Religiösen, die Suche nach dem Absoluten, dem Satanismus, all das bildet einen ziemlich fragwürdigen Cocktail…
     
    Le Point, 24. Februar 2005
     
    Im Flugzeug der Alitalia auf dem Weg nach Kairo hatte Judith Mühe, sich zu konzentrieren. Auf dem Tisch vor ihr lag ein Stapel Zeitungen. Der Kopf tat ihr weh, und unter den Augen hatte sie Ringe, denn sie hatte sehr schlecht geschlafen. Weil sie rechtzeitig am Flughafen sein wollte, war sie schon um halb fünf aufgestanden. Anselmo, der neben ihr saß, las eine Jagdzeitschrift und hatte sich in einen Artikel über die Taubenjagd vertieft. Normalerweise hätte die junge Frau über den ungewöhnlichen Aufzug ihres Schutzengels gelächelt. Anselmo trug statt seiner üblichen Soutane einen schwarzen Anzug. Gedankenverloren spielte er mit dem kleinen Silberkreuz am Revers seiner Jacke von De Retis, eines bei der römischen Kurie beliebten Schneiders. Anselmo war ein schweigsamer Mensch, aber er war einfühlsam und hatte sogleich gespürt, dass es Judith nicht gut ging. Auf seine Frage, ob er etwas für sie tun könne, hatte sie ausweichend geantwortet. Aber da sie wusste, wie zurückhaltend ihr Beschützer normalerweise war, hatte seine Besorgnis sie gerührt.
    Judith bemühte sich, ihren Verstand zusammenzunehmen, um die Tagespresse zu lesen. Manchmal benutzte der Geheimdienst des Vatikans die Zeitungen, insbesondere natürlich den Osservatore Romano, um seinen Agenten verschlüsselte Botschaften zu übermitteln. Vier Jahre lang hatte Judith Vorlesungen an der Minerva gehört, der ältesten Diplomatenschule der Welt. Die Schüler der noblen Einrichtung wohnten außerhalb des Kirchenstaats in einem alten Palazzo, der dem Heiligen Stuhl gehörte und in der Via della Scrofa lag, oder im Santa-Marta-Bau auf vatikanischem Gebiet. Judith verfügte über mehrjährige Erfahrung und hatte zudem noch spezielle Kurse besucht, die von Jesuiten und Kardinälen verschiedener Nationalitäten abgehalten wurden und für die Mitarbeiter der Abetaja bestimmt waren. Sie vermittelten, was jeder Geheimagent können musste, auch wenn er wie Judith das Etikett »Sonderberaterin« trug. Die junge Frau hatte alles über Kodierungstechniken gelernt, dazu Parapsychologie und Kryptologie. Sie hatte auch gelernt, wie man unauffällig fotografiert. Wenn sein voller Terminplan es gestattete, unterrichtete inzwischen auch Anselmo an der Minerva.
    Doch heute Morgen konnte sie in der offiziellen Presse keine versteckten Hinweise entdecken. Wie Kardinal Lorenzo befürchtet hatte, waren die Ereignisse in Megiddo an die Öffentlichkeit gedrungen und die Presse hatte sich des Themas bemächtigt. »Ein Archäologenteam und drei israelische Soldaten in Megiddo getötet«, hieß es im  Corriere della Sera.  Das französische Blatt  Libération  sprach von einem »Blutbad in Megiddo« und der  Herald Tribune  brachte die Schlagzeile »Unerklärliches Massaker in Megiddo«. Nur dass es bei den Grabungen um die Lanze Christi gegangen war, schien nicht bekannt zu sein. Man sprach von »internationaler Bibelforschung« oder »Forschungen zum

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