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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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Leute in Weiß aus einem der benachbarten Gebäude traten und sich schnell näherten.
    »Sie ist angekommen«, sagte Professor Li-Wonk zu seinem italienischen Kollegen Ferreri und gab ihm die Hand.
    Man wandte sich der Ladung des Lastwagens zu. Da stand die luftdichte Kiste, wie sie von den Archäologen in Megiddo gepackt worden war. Um sie herum dicht an dicht Kühlaggregate, die wie aufeinandergestapelte Kühlschränke aussahen. Für die Bewacher war kaum noch Platz gewesen. Ein Gabelstapler fuhr unter die Kiste. Zwei Leute in Khakianzügen zurrten sie fest. Dann fuhr sie mit bewaffneter Begleitung geräuschvoll über den Parkplatz. Alles wich zur Seite. Eine dumpfe Erregung hatte alle erfasst. Die Türen öffneten sich vor der Kiste, und die Professoren Li-Wonk, Ferreri und Yzamata folgten ihr. Die Schöße ihrer Laborkittel flatterten im Luftzug der Schleuse. Sie durchquerten die renovierungsbedürftige Eingangshalle und begaben sich in Richtung Untergeschoss. Diesmal öffneten sich die Türen beim ersten Versuch. Sie betraten einen rechteckigen, fünfzehn Personen fassenden Fahrstuhl, der wie ein Lastenaufzug aussah. Auf den zehn Metern nach unten machte er einen höllischen Lärm.
    Mehrere Leute erhoben sich von ihren Sitzen im Großen Saal, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Eine sonderbare Ehrenformation bildete sich rechts und links der Strecke, die die Lanze zurücklegte. In den Sinaifelsen gehauen und mit Stahlträgern abgestützt, erreichte der Raum an einigen Stellen die Höhe eines Kirchenschiffs. Man fühlte sich in einen geheimen Tempel des Neuen Jerusalem oder in eine riesige Kathedrale versetzt. In diesem angenehm kühlen Dom voll geologischer Erinnerungen an die Wüste bildeten die weißen Labortische mit ihren Mikroskopen, Computern und Digitalkameras wie mit der Schnur gezogene Querstreben. Protokollhefte und Arbeitspläne waren nach der vorgesehenen Reihenfolge der Versuche angeordnet.
    Das Tabernakel dieses Heiligtums war ein blütenreines Bett mit Gurten, bewacht von modernen Kleinstkameras. In diesem Allerheiligsten von Axus Mundi drückte Professor Li-Wonk auf einen der Knöpfe eines Schaltpults. Ein schwarz glänzender Sockel schwebte scheinbar aus den Eingeweiden der Erde empor. Er blieb auf halber Höhe stehen. Man öffnete den Behälter aus Plexiglas auf der einen Seite und die darin ruhende Kiste auf der anderen. Ein Pfeifen war zu hören, dann stiegen blasse Rauchschwaden auf, und schließlich wurde der Inhalt sichtbar.
    Es war eine Messe, ein feierliches Ritual, und alle Anwesenden sahen wie gebannt zu.
    Da ruhte die Lanze. Ihre verhüllte Spitze. Die Reste ihres Schafts. Stück für Stück, fein säuberlich aufgereiht.
    Ein tiefes Schweigen herrschte.
    Nun machten sich einige Mitarbeiter daran, sie mit äußerster Vorsicht herauszunehmen. Die Männer trugen Handschuhe und entnahmen nur das scharfe Eisen mit den einst beweglichen Zacken. Man hatte einen neuen Schaft gefertigt, von der Länge des ursprünglichen, also ungefähr einen Meter fünfzig lang. Die Wissenschaftler schoben die Spitze in den dafür vorgesehenen Metallreif, während sich der luftdichte Behälter wieder mit einem zischenden Geräusch über den Resten des alten Schafts schloss. Jetzt gab es die Lanze wieder in ihrer Gesamtheit. Die Wissenschaftler betrachteten sie lange, die starre glänzende Schlange, die früher Jesu Seite durchbohrt hatte. Die in Megiddo gefundene heilige Lanze des Longinus. Schließlich brach Professor Li-Wonk das Schweigen und sagte lächelnd:
    »So, wir haben es geschafft. Rufen Sie Herrn Heinrich an.«
    Unterdessen achtete Frank Duncan im Lagerschuppen darauf, dass der Lastwagen vollständig entladen wurde. Er war ein neugieriger Mensch, doch auf vieles, was hier vorging, konnte er sich keinen Reim machen. Man hatte ihn im Übrigen darauf hingewiesen, dass alles, was er hier sah und hörte, geheim bleiben musste. Frank Duncan war ein Profi des Bewachungsgeschäfts und nahm seine Aufträge ernst. Sobald er sein Geld in der Tasche hatte, und es war keine geringe Summe gewesen, respektierte er solche Anweisungen und hielt sich mit Fragen zurück. Doch nun, nach der zwanzigsten Kiste, bei der er mit angefasst hatte, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und fragte schwer atmend einen der Männer in Weiß:
    »Du meine Güte, was ist denn da bloß drin?«
    Der Mann wandte sich zu ihm, grinste und zuckte die Schultern.
    »Wollen Sie das wirklich wissen?«
    Er warf einen Blick in den kalten,

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