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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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Teilen bestanden zu haben, die ineinandergesteckt wurden. Die besonders interessante Metallspitze wurde von einem Metallring gehalten, mit dem sie befestigt war. Darunter befanden sich zwei bewegliche, scharfkantige Klingen, wodurch das Gerät zu einer besonders gefährlichen Waffe wurde. Sie zerrissen das Fleisch, wenn man sie aus einem durchbohrten Körper herauszog. Als wir die Lanze fanden, war sie eingewickelt. Ihr früherer Besitzer muss das scharfe Eisen mit Schilf oder Blättern gepolstert und anschließend mit Stoffstreifen umwickelt haben, offenbar um sie zu schützen. Wir wissen, dass es schwierig ist, fossile DNA zu gewinnen. Die erste Schwierigkeit liegt in der chemischen Instabilität der Nukleinsäure. Bei Feuchtigkeit wird die DNA vor allem durch zwei Dinge geschädigt, durch chemischen Abbau (Hydrolyse und Oxydation) und durch enzymatische Zersetzung (Autolyse und bakterielle Aufspaltung). Man hat lange geglaubt, dass ein DNA-Fragment von einer Länge von 800 Nukleotiden bei einem pH-Wert von sieben und einer Temperatur von 15° Celsius nach 5000 Jahren verwest sei. Inzwischen hat die DNA-Gewinnung bei noch älteren Resten das Gegenteil bewiesen. Fossile DNA ist allerdings immer stark geschädigt und brüchig. Das wird auch hier der Fall sein.«
    Judith blickte auf.
    »Oh mein Gott.«
    Sie erstickte einen ungläubigen Schrei mit der Hand, dann drehte sie den Bildschirm zu Anselmo.
    »DNA kommt in verschiedenen Gewebetypen vor. Weiche Gewebe können sich durch natürliche Prozesse erhalten, in kalter Umgebung beispielsweise durch Einfrieren, in trockener Hitze durch Austrocknung (natürliche Mumien). Heutzutage kann man auch aus harten Geweben (Knochen und Zähnen) DNA gewinnen. Sie sind das beste Material, da sie sich sehr lange halten. Wenn aber die Aussage der Bibel zutrifft, dass Jesu Gebein nicht gebrochen wurde, können wir nur mit weichem Gewebe rechnen. Die gute Konservierung der DNA hängt von physikalischen und chemischen Faktoren ab (pH-Wert, Temperatur, Feuchtigkeit, Druck), die auf komplexe Weise wirken. Der Zeitfaktor scheint nicht besonders wichtig zu sein. Der chemische und enzymatische Verfall verlangsamt sich bei niedrigen Temperaturen. Ideale Voraussetzungen sind Temperaturen unter dem Gefrierpunkt oder der Ausschluss von Sauerstoff. Kälte, trockenheißes Wüstenklima, Torf und Teergruben schützen alte DNA. Das Pflanzenharz Bernstein, in das seit dem Karbon zahlreiche Gliederfüßler sowie Weichtiere eingeschlossen sind, hatte eine schnelle Mumifizierung und natürliche Einbalsamierung zur Folge, wodurch die Gewebekonservierung begünstigt wurde. Aus Bernsteineinschlüssen hat man die älteste DNA gewonnen. (Es handelte sich dabei um einen hundertzwanzig bis hundertfünfunddreißig Millionen Jahre alten Käfer).«
    Judith klappte wieder ihr Handy auf. Kein Netz. Jetzt fluchte auch sie.
    »Es ist so weit. Diesmal wird man es wirklich versuchen«, sagte sie und blickte wieder auf ihren Bildschirm.
    »In unserem Fall kommen verschiedene günstige Voraussetzungen zusammen: Sand, heiße, trockene Wüste, durch die die Lanze transportiert wurde, ihre Aufbewahrung in der kühlen geschützten Höhle und die vegetative Zersetzung, durch die mumifizierende Ambra entstanden ist. Dadurch steht zu vermuten, dass wir Aussichten haben, Spuren von DNA an der Lanzenklinge zu finden. Glaubt man dem Bericht von Judith Guillemarche aus dem Vatikan, bietet sich uns hier eine einmalige Gelegenheit, die wir weder beim Turiner Grabtuch noch bei der Tunika von Argenteuil hatten, da deren Echtheit nie wirklich bewiesen wurde.«
    Das Taxi arbeitete sich unter jähen Ausweichmanövern und lautem Gehupe ins Stadtzentrum vor. Anselmos Kopf berührte fast die Wagendecke. Der Fahrer vor ihm rutschte aufgeregt auf seinem Sitz hin und her, schrie arabische Beleidigungen aus dem Fenster oder rief einem Kollegen, dem er zufällig begegnete, freundliche Worte zu. Er fuhr so sportlich wie in Kairo üblich und jagte seinen Fahrgästen einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Die Fahrzeuge streiften einander, es gab endlose Hupkonzerte, die Abgase machten die Luft zum Schneiden dick. Als sich vorübergehend ein Stau bildete, überfiel Judith die Angst, nun steckten sie für alle Zeiten fest. Doch schon einige Augenblicke später floss der Verkehr wieder wie durch ein Wunder. Judith sah, dass in Anselmos Tasche noch immer die Jagdzeitschrift steckte. Der Leibwächter folgte ihrem Blick, runzelte die Stirn und

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