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Die Lanze des Herrn

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Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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Kirchenvätern bestattet zu werden, nur wenige Meter von der Stelle entfernt, wo sein Leben geendet hatte. Man ließ dem Toten seine Ritterrüstung. Er wurde mit dem roten Brustkreuz beigesetzt, dem Helm, dem Panzer, dem Schild, auf dem Akko und die Jahreszahl eingraviert waren. Vor allem aber mit den Pergamentrollen, von denen niemand wusste und deren Bedeutung niemand ermaß.
    Von dem Schicksal seines Ordens und von dem tragischen Ausgang des Prozesses gegen ihn sowie dem Tod Jacques de Molays erfuhr Bertrand de Raguenaud nichts mehr. 1311 wurde der Orden aufgelöst. Bald gehörten die Tempelritter der Vergangenheit an.
    Die Pergamentrollen blieben in ihrem Versteck tief in der römischen Nekropole bei den sterblichen Überresten des Templers Raguenaud, bis sie siebenhundert Jahre später ein gewisser Ludwig Kaas, ein vom Vatikan beauftragter Archäologe, entdeckte.
    Die Pergamente von Akko!
     

9. Kapitel
    Sommerresidenz des Papstes in Castel Gandolfo, 2006
    »Amen, amen, ich sage dir: wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von Neuem geboren werden. Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht.«
     
    Johannes (3, 5-9)
     
    Judith schloss das alte Buch in ihrer Hand und blickte eine Weile auf die Titelseite.
     
    Manuskript von Akko
    Chronik des Bertrand de Raguenaud
    Ritter des Templerordens und Kreuzritter in Akko
    Im Dienste des Königs von Frankreich und
    seiner Heiligkeit des Papstes
    November 1307
     
    Das Manuskript hatte ihr Pater Jean-Baptiste Fombert geschickt. Er hatte seine Recherchen schnell vorangetrieben, um endgültig herauszufinden, welchen Weg die Pergamente des Longinus im Lauf der Jahrhunderte genommen hatten. Nun war das Puzzle vollständig, und der Pater war zur Bibelschule in Jerusalem zurückgekehrt.
    Judith überdachte den langen, wirren Lauf der Geschichte, während sie durch den Garten der Villa Barberini in Castel Gandolfo schlenderte. Sie hielt das Buch an die Brust gedrückt und genoss die laue Brise, die ihr durch das Haar strich. Seit Jahrhunderten diente die dreißig Kilometer vom Vatikan entfernt gelegene Villa Barberini den Päpsten als Sommerresidenz. Der Papst verbrachte während der heißen Zeit ein oder zwei Monate hier und flog jeden Mittwoch mit dem Hubschrauber zur Generalaudienz in den Vatikan.
    Judith, die an gepflegten Blumenrabatten und Sträuchern entlangging, lauschte auf das Murmeln eines nahegelegenen Brunnens. Sie setzte ihren Weg fort, bis sie in den Spiegelgarten kam, lief an dem von Zypressen gesäumten Wäldchen der kleinen Jungfrau vorbei und erreichte schließlich die bunten Bäume des Obstgartens.
    In Castel Gandolfo traf man zuweilen Mitglieder des Staatssekretariats bei einem Spaziergang. Mit dem Papst kamen auch jedes Jahr einige Schwestern in die Sommerresidenz, die für sein leibliches Wohl sorgten. In dem Palast waren zudem ein Dutzend Schweizer untergebracht sowie die Verwalter des Parks und des zur Villa gehörigen Gutes. Manchmal lud der Papst zu Seminaren ein, und Fachleute verschiedener Disziplinen folgten seinem Ruf, Humanwissenschaftler, Soziologen, Philosophen und Theologen. Auch Jugendgruppen, Studenten, Pilger oder Seminaristen besuchten den Heiligen Vater auf seinem Landsitz. Hinter dem fünfzig Hektar großen Areal erstreckte sich in südwestlicher Richtung die Ortschaft Castel Gandolfo mit ihren etwa dreißigtausend Einwohnern.
    Es war noch früh am Morgen. Die sanfte Frühlingsbrise konnte Judith jedoch nicht beruhigen. Sie war vor einem knappen Monat aus Ägypten zurückgekehrt, aber noch immer ging ihr im Kopf herum, was seither geschehen war. Die Wissenschaftler des Labors am Sinai waren verhaftet worden und wurden nun verhört. Man hatte das gesamte Inventar des Labors konfisziert und hoffte, die dort angewandte Methode mit Hilfe der Protokolle im Einzelnen nachvollziehen zu können. Ernst Heinrich hatte man noch nicht gefasst. Die Informationen des Vatikans über ihn und Axus Mundi waren noch immer spärlich. Die Leihmutter Elena hatte man unter größter Geheimhaltung nach Italien gebracht und ließ sie nicht mehr aus den Augen. Nachdem sie von zwei Ärzten der Klinik Gemelli in Rom untersucht worden war, brachte man sie in einem Krankenhaus an der Via Aurelia unter,

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