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Die Lanze Gottes (German Edition)

Die Lanze Gottes (German Edition)

Titel: Die Lanze Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Beckmann
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Überlasse mir das Reden.«
    »Was hast du der alten Hagazussa zugeflüstert?«, fragte Adam.
    »Das ist nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass sie uns hineinlässt und dir vielleicht eine weitere Seereise erspart. Also schweig! Nur dieses eine Mal!«
    »Gut«, brummte Adam und trottete hinter Janus und Thengill in die Hütte.
    In der kleinen Behausung brannte ein Feuer. Es war stickig und roch nach altem Fisch und Leder. Die alte Frau bat sie, Platz zu nehmen. Janus sagte zu Adam, er solle ihm den Kodex geben. Dann las er Eringis die Geschichte der Heiligen Lanze vor. Ihre Miene verriet nichts von ihren Gefühlen. Sie zuckte nicht einmal in den
    Augenwinkeln, sie saß nur da und hörte zu. Nach einer Weile des Schweigens, in der nur das Prasseln des Feuers und der Wind zu hören waren, der um die Hütte heulte, sagte sie: »Das, was ihr Heilige Lanze nennt, befindet sich nicht auf Island. Außerdem ist es nicht die Lanze eures Gottes, sondern der Speer Thors.« Eringis schaute mit einem hasserfüllten Blick auf Adam, der, sehr zu Janus´ Leidwesen, zu einem kirchlichen Donnerwetter ausholen wollte. Doch Thengill legte ihm seine Hand auf die Schulter und bat ihn, sitzen zu bleiben. Janus schaute Adam mit einem strengen Blick an und sein Freund schwieg. Dann forderte Janus Eringis auf, weiter zu erzählen.
    »Ich kenne die Geschichte Thorvalds.«
    »Erzähle sie uns, weise Eringis«, bat Janus.
    »Es ist die Geschichte meiner Familie und meiner Sippe. Mein Vater war der große Leif Erikson. Er hatte neben mir noch viele andere Kinder. Ich lebte in Island und Grünland und sogar in Vynland. Jetzt lebe ich, den Göttern sei Dank, wieder in der Heimat meiner Väter. Die Lanze wird seit Generationen an die Söhne vererbt. Es geschah im Jahre 934 nach der Zeitrechnung eures Gottes. Thorvald hielt sich in Haithabu auf. Ein christlicher König versuchte, die Stadt einzunehmen. Man nannte ihn Heinrich I. Thorvald liebäugelte schon immer mit eurem Christengott. Das war sein Verderben. Doch er war auch an das Versprechen gebunden, welches seit Generationen den Speer Thors beschützt: Die mächtige Waffe sollte nie wieder einem Christenkönig in die Hände fallen. Die große Handelsstadt Haithabu wurde von Heinrich I. erobert. Am Vorabend der Schlacht befragte Thorvald die Götter. Aber ebenso befragte er einen seiner Begleiter. Es handelte sich um einen Mönch, der den Namen Nicolaus trug. Thorvald vertraute ihm und ahnte, dass unsere Leute in Haithabu die Schlacht nicht gewinnen konnten. Er vertraute den Speer Nicolaus an und nahm ihm gleichzeitig einen Schwur ab, Thors Waffe zu beschützen und zu verstecken. Er ließ Nicolaus auf euren Gott schwören, um sicherzugehen, dass sich der Mönch an sein Versprechen halten würde.«
    »Was geschah weiter?«
    Eringis hob ihre Hand. »Haithabu wurde erobert. Thorvald kam in Gefangenschaft, aus der er wenig später jedoch fliehen konnte. Der Speer Thors war verloren.«
    »Hat ihn der Christenkönig doch bekommen?«, fragte jetzt Thengill.
    Die Alte kicherte. Es gefiel ihr wohl, mit der Ungeduld ihrer Zuhörer zu spielen. »Nein, das hat er nicht. Der Mönch Nicolaus ging zurück ins Sachsenland und nahm ihn mit.«
    Im Morgengrauen verließen sie die Hütte von Eringis. Sie bestiegen ihre Pferde und Janus bedankte sich noch einmal bei der Alten.
    Als sie zwei Tage später durch das Waldgebiet unweit von Thengills Dorf ritten, stieg hinter der Hügelkuppe schwarzer Rauch auf und verhieß nichts Gutes. Entsetzen stand in Thengills Gesicht. »Bei allen Göttern!«, rief er und gab seinem Pferd die Sporen.
    Im Dorf bot sich ihnen ein Bild des Schreckens. Überall sahen sie verkohlte Häuser. Leichen lagen vor den Hütten. Fast das ganze Dorf war ausgerottet. Die Angreifer, wer immer sie waren, hatten die Frauen geschändet und selbst vor den Kindern nicht haltgemacht. Thengills Krieger lagen enthauptet im Schlamm.
    Janus schloss für einen Moment die Augen vor so viel Grausamkeit. Den Anblick der geschundenen Leiber konnte er kaum ertragen. Als er sie wieder öffnete, fiel sein Blick auf ein kleines Mädchen, mit dem er in den letzten Monaten manchmal gespielt hatte. Sie war fasziniert gewesen von seinem Musikinstrument und Janus hatte ihr eine kleine Flöte geschnitzt. Ihr Name war Fagra. Jetzt lag sie vor ihm, blutüberströmt, mit weit aufgerissen Augen, in denen sich ihr schauerlicher Todeskampf widerspiegelte.
    Er kniete sich neben sie, strich Fagra sanft über die Wange und weinte. Mit

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