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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Zeigefinger zur Decke. »Bellman ist definitiv auf dem Weg nach oben. Der Kerl hat noch viel vor, Harry.«
    »Ich auch«, sagte Harry und stand auf. »Im Botsen. Ich geh mal davon aus, dass an der Rezeption eine Besuchserlaubnis für mich liegt, wenn ich da ankomme.«
    »Haben wir eine Abmachung?«
    »Klar haben wir die«, sagte Harry, nahm die ausgestreckte Hand seines Exchefs, schüttelte sie zweimal und ging zur Tür. Hongkong war eine gute Schule für Lügner. Er hörte Hagen den Hörer abnehmen, doch als er die Hand auf die Türklinke legte, drehte er sich noch einmal um:
    »Und wer ist der Dritte?«
    »Was?« Hagen hatte den Blick auf das Telefon gerichtet und tippte gut hörbar eine Nummer.
    »Der dritte Freund, den ich hier im Haus habe?«
    Dezernatsleiter Gunnar Hagen hielt den Hörer ans Ohr, sah Harry müde an und seufzte.
    »Was glaubst du denn?« Und dann: »Hallo? Hagen hier. Ich hätte gern eine Besuchserlaubnis. Ja?« Hagen legte die Hand über den Hörer. »Klappt schon. Momentan ist der Zuständige in der Pause, aber wenn du um zwölf da bist.«
    Harry lächelte, mimte ein »Danke« und schloss die Tür leise hinter sich.
    Tord Schultz stand in der kleinen Kabine, knöpfte sich die Hose wieder zu und zog die Jacke an. Sie hatten darauf verzichtet, auch noch seine Körperöffnungen zu untersuchen. Die Zollbeamtin – dieselbe, die ihn angehalten hatte – wartete vor der Kabine auf ihn. Sie wirkte wie eine Professorin nach einer mündlichen Prüfung.
    »Danke für Ihre Zusammenarbeit«, sagte sie und deutete mit der Hand zum Ausgang.
    Vermutlich hatte es lange Diskussionen darüber gegeben, ob sie sich entschuldigen sollten, wenn sie jemanden ohne Resultat untersuchten, weil der Drogenhund versehentlich angeschlagen hatte. Jeder, der aufgehalten, verdächtigt und in Verlegenheit gebracht wurde, hätte eine solche Entschuldigung sicher für angemessen gehalten. Aber sie machten ja nur ihren Job. Sollten sie sich dafür entschuldigen? Dass Hunde auch bei Menschen anschlugen, die keine Drogen mit sich führten, kam immer wieder vor, so dass eine Entschuldigung dann beinahe wie das Eingeständnis eines Fehlers, einer Schwäche im System gewirkt hätte. Andererseits war aus den vier Streifen auf seiner Jacke ersichtlich, dass er Kapitän war. Nicht bloß einer dieser dreistreifigen, gescheiterten Fünfziger, die als Copiloten auf dem rechten Sitz kleben geblieben waren, weil sie sich irgendwann selbst den Weg verbaut hatten. Seine vier Streifen sollten keinen Zweifel daran lassen, dass er alles unter Kontrolle hatte, ja, ein Mann war, der jede Situation beherrschte und sein Leben im Griff hatte. Jemand, der wusste, dass er zur Brahmanenkaste des Flugplatzes gehörte. Ein Flugkapitän war eine Person, die von einem Zöllner mit zwei Streifen durchaus eine Entschuldigung verlangen konnte, Fehlereingeständnis hin oder her.
    »Aber ich bitte Sie, es ist doch gut, dass jemand aufpasst«, sagte Tord und hielt nach seinem Rollkoffer Ausschau. Schlimmstenfalls hatten sie ihn durchleuchtet, der Hund hatte ja nicht auf das Gepäckstück reagiert. Und die Metalldeckel, die das Gestänge abschlossen, waren für die Strahlen undurchdringlich.
    »Der Koffer kommt gleich«, sagte sie.
    Sie sahen sich ein paar Sekunden schweigend an.
    Geschieden, dachte Tord.
    Im selben Moment kam ein anderer Zollbeamter herein.
    »Ihr Koffer …«, sagte er.
    Tord sah es sofort im Blick des Mannes. Er spürte einen Kloß in seinem Magen anschwellen und langsam den Hals hinaufsteigen. Wie? Wie war das möglich?
    »Wir haben Ihren Koffer geleert und ihn dann gewogen«, sagte er. »Ein leerer Samsonite Aspire GRT , 26 Zoll, wiegt 5,8 Kilogramm. Ihrer wiegt 6,3 Kilogramm. Möchten Sie uns das erklären?«
    Der Zollbeamte war zu professionell, um offen zu lächeln, trotzdem sah Tord Schultz den Triumph in seinen Augen aufblitzen. Der Zöllner beugte sich eine Spur vor und fragte leise:
    »… oder sollen wir das tun?«
    Nachdem er im Olympen etwas gegessen hatte, trat Harry nach draußen auf die Straße. Das alte, etwas versoffene Lokal, das er von früher kannte, war renoviert worden und glich jetzt, trotz all der großen Gemälde der alten Osloer Arbeiterviertel, den aufgetakelten Nobelkneipen, die man im Westen der Stadt fand. Das Lokal war nicht wirklich hässlich, und auch die Makrele hatte gut geschmeckt, es war aber einfach nicht mehr das Olympen, das … er kannte. Er zündete sich eine Zigarette an und ging durch den Botsparken,

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