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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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klug, in einem Auto herumzufahren, nach dem vermutlich bereits gefahndet wurde. Ich gab Gas. Wollte zu einer Adresse im Osten der Stadt, so dass ich wenigstens nicht durchs Zentrum musste. Ich kurvte durch die Außenbezirke und einige ruhige Wohnviertel, bis ich den Wagen ein paar Straßen von meinem Ziel entfernt abstellte. Den Rest ging ich zu Fuß.
    Die Sonne war wieder herausgekommen, die Menschen waren draußen, lachten, als wäre die Sonne das Glück selbst, und schoben ihre Kinderwagen vor sich her. In den Netzen, die unter den Griffen hingen, baumelten Einweggrille.
    Ich warf die Autoschlüssel in einen Garten und ging auf die Wohnungen mit Terrasse zu.
    Fand den Namen auf den Schildchen am Eingang und drückte auf die Klingel.
    »Ich bin’s«, sagte ich, als er endlich reagierte.
    »Ich bin beschäftigt«, sagte die Stimme im Lautsprecher.
    »Und ich bin drogenabhängig«, sagte ich. Ich hatte das als Witz gemeint, spürte aber trotzdem die Wirkung meiner Worte. Oleg hatte es immer so witzig gefunden, wenn ich aus Spaß einen unserer Kunden fragte, ob er möglicherweise an Drogensucht litt und etwas Violin wolle.
    »Was willst du?«, fragte die Stimme.
    »Violin.«
    Die Antwort der Kunden war zu der meinen geworden.
    Pause.
    »Ich habe nichts. Bin ausverkauft. Mir fehlt die Basis, um mehr herzustellen.«
    »Die Basis?«
    »Levorphanol. Willst du auch noch die Formel?«
    Ich wusste, dass das stimmte, glaubte aber nicht, dass er gar nichts hatte. Er musste einfach etwas haben. Ich dachte nach. Zum Probenraum zurück konnte ich nicht, da warteten sie bestimmt schon auf mich. Aber Oleg, der gute, alte Oleg würde mich sicher reinlassen.
    »Ibsen, ich gebe dir zwei Stunden, wenn du bis dahin nicht mit vier Viertelgramm-Päckchen in der Hausmanns gate erschienen bist, gehe ich direkt zu den Bullen und erzähle alles. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Kapiert? Hausmanns gate 92. Komm einfach in die zweite Etage hoch.«
    Ich versuchte, mir sein Gesicht vorzustellen. Verängstigt, schwitzend. Das arme, perverse Schwein.
    »Okay«, sagte er.
    Na also. Man muss ihnen nur den Ernst der Lage klarmachen.
    Harry trank den letzten Schluck Kaffee und schaute nach draußen auf die Straße. Es war an der Zeit, den Ort zu wechseln.
    Auf dem Weg über den Youngstorget in Richtung der Kebabbuden auf der Torggata bekam er einen Anruf.
    Es war Klaus Torkildsen.
    »Gute Neuigkeiten«, sagte er.
    »Ja?«
    »Zu dem angegebenen Zeitpunkt ist Truls Berntsens Telefon bei vier Basisstationen im Zentrum von Oslo registriert, und damit ziemlich genau in der Gegend der Hausmanns gate 92 zu verorten.«
    »Von welchem Umkreis reden wir?«
    »Tja. Ein sechseckiger Umriss mit einem Durchmesser von etwa achthundert Metern.«
    »Okay«, sagte Harry und ließ die Nachricht sacken. »Und was ist mit dem anderen Typ?«
    »Auf den Namen war konkret nichts registriert, aber er hat ein Firmentelefon, das auf das Radiumhospital angemeldet ist.«
    »Und?«
    »Ja, das sind eben die guten Neuigkeiten. Auch dieses Telefon befand sich zum entsprechenden Zeitpunkt in der Gegend.«
    »Hm.« Harry trat durch eine Tür, ging an drei vollbesetzten Tischen vorbei und blieb vor einer Theke stehen, deren Front eine Auswahl von unnatürlich farbenfrohen Kebabs zeigte. »Und seine Adresse?«
    Klaus Torkildsen las die Adresse vor, und Harry notierte sie auf einer Serviette.
    »Gibt es für diese Adresse noch irgendeine andere Nummer?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich frage mich bloß, ob er verheiratet ist oder in einer festen Lebensgemeinschaft lebt.«
    Harry hörte Torkildsen tippen. Dann kam die Antwort: »Nein. Unter der Adresse ist sonst niemand gemeldet.«
    »Danke.«
    »Dann haben wir eine Abmachung? Nie wieder voneinander zu hören?«
    »Ja, abgesehen von einer Sache noch. Ich will, dass Sie Mikael Bellman checken. Mit wem hat er in den letzten Monaten geredet, und wo befand er sich zum Zeitpunkt des Mordes?«
    Lautes Lachen. »Den Chef von Orgkrim? Vergessen Sie’s! Die Überprüfung eines einfachen Kommissars kann ich noch irgendwie unter den Teppich kehren, aber was Sie da jetzt verlangen, würde mich auf der Stelle den Job kosten. Noch heute.«
    Er hörte nicht auf zu lachen, als sei die Idee wirklich ausnehmend komisch.
    »Ich gehe davon aus, dass Sie Ihr Versprechen halten, Hole«, sagte er und beendete das Gespräch.
    Als das Taxi zu der Adresse kam, die auf der Serviette stand, wartete draußen ein Mann auf ihn.
    Harry stieg aus und ging zu ihm.

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