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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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kam aber auf keine gute Idee. Dann entschied er sich für die schlechte. Er nahm das Telefon und begann zu tippen.
    H-u-p u-n-d w-a-s
    Mist! Falsch!
    Er hörte das metallische Klicken, als Nybakk die Waffe öffnete.
    Korrekturtaste, verdammt, wo ist die? Da, weg mit dem »s« und stattdessen ein »r«. Dann ein »t« und ein »e«.
    Er hörte, wie Nybakk die Waffe lud.
    … w-a-r-t-e b-i-s e-r
    Verflucht kleine Tasten. Jetzt komm schon!
    Er hörte, wie die Waffe mit einem Klicken geschlossen wurde.
    … i-m F-e-n-t
    Fehler! Harry hörte, wie Nybakks schleifende Schritte näher kamen. Ihm blieb keine Zeit, er musste darauf vertrauen, dass Hans Christian genug Phantasie hatte.
    … L-i-c-h-t-!
    Er drückte auf »Senden«.
    Aus dem Dunkel sah er, dass Nybakk die Waffe an die Schulter gelegt hatte. Und dann wurde ihm bewusst, dass der Chefpharmazeut längst bemerkt haben musste, dass die Kellertür offen stand.
    Im selben Moment war das Hupen eines Autos zu hören. Laut und eindringlich. Nybakk zuckte zusammen. Sah zum Wohnzimmer, dessen Fenster zur Straße gingen, wo Hans Christian parkte. Er zögerte. Dann drehte er sich um und ging in Richtung Wohnzimmer.
    Die Hupe meldete sich erneut und schien dieses Mal gar nicht wieder aufhören zu wollen.
    Harry öffnete die Kellertür und folgte Nybakk, er brauchte nicht einmal zu schleichen, das Hupen übertönte seine Schritte. Von der Wohnzimmertür aus sah er Stig Nybakks Rücken, der gerade die Gardine zur Seite schob. Plötzlich erstrahlte der Raum im Licht der Xenonscheinwerfer von Hans Christians Familienkutsche.
    Harry brauchte vier lange Schritte. Stig Nybakk sah Harry weder kommen, noch hörte er ihn. Er hielt sich eine Hand vor die Augen, um das Licht abzuschirmen. Harry streckte seine Arme über Nybakks Schultern, packte die Flinte, riss sie zu sich, presste ihren Lauf gegen den fleischigen Hals des Pharmazeuten und zog ihn nach hinten, bis er das Gleichgewicht verlor. Er drückte seine Knie in Nybakks Kniekehlen, so dass sie beide in die Hocke gingen, während Nybakk verzweifelt nach Luft rang.
    Hans Christian musste erkannt haben, dass das Hupen seinen Zweck erfüllt hatte, denn es wurde still. Harry ließ nicht locker, bis Nybakks Bewegungen langsamer wurden, an Kraft verloren und er schließlich irgendwie verwelkte.
    Harry wusste, dass Nybakk im Begriff war, das Bewusstsein zu verlieren. Ein paar Sekunden noch, und sein Hirn würde unwiederbringlich geschädigt sein und wenige Sekunden später vollends den Dienst einstellen, und Stig Nybakk, der Kidnapper und Kopf der Violin-Produktion, wäre tot.
    Wie fühlte sich das an, was in diesem Augenblick in ihm selbst vorging?, fragte sich Harry, zählte bis drei und ließ die Flinte mit einer Hand los. Nybakk sackte lautlos zu Boden.
    Harry setzte sich auf einen Stuhl und atmete tief durch. Als der Adrenalinspiegel langsam wieder zu sinken begann, kamen auch die Schmerzen in Hals und Kinn zurück, die tatsächlich mit jeder Stunde schlimmer wurden. Trotzdem versuchte er, sie zu ignorieren, und simste Hans Christian ein »Okay«.
    Nybakk begann leise zu stöhnen und zog sich in Embryonalstellung zusammen.
    Harry durchsuchte ihn schnell. Legte alles, was er in den Taschen fand, auf den Couchtisch. Geldbörse, Handy und ein Pillenglas, auf dem Nybakks Name und der Name eines Arztes standen. Zestril. Harry erinnerte sich daran, dass die auch sein Großvater genommen hatte, um keinen Herzinfarkt zu kriegen. Harry steckte die Pillen in seine eigene Tasche, legte die Mündung des Gewehrs an Nybakks blasse Stirn und befahl ihm aufzustehen.
    Nybakk sah zu Harry hoch. Wollte etwas sagen, entschied sich dann aber dagegen. Mühsam rappelte er sich auf und blieb dann schwankend stehen.
    »Wohin gehen wir?«, fragte er, als Harry ihn vor sich her in den Flur schob.
    »In die Kellerwohnung«, sagte Harry.
    Stig Nybakk war noch immer unsicher auf den Beinen, und als sie nach unten gingen, stützte Harry ihn mit einer Hand an der Schulter, wobei er ihm die Waffe mit der anderen in den Rücken drückte. Vor der Tür, hinter der er Irene entdeckt hatte, blieben sie stehen.
    »Wie sind Sie auf mich gekommen?«
    »Der Ring«, sagte Harry. »Aufschließen!«
    Nybakk nahm einen Schlüssel aus der Tasche, den Harry übersehen haben musste, steckte ihn ins Vorhängeschloss und öffnete.
    Drinnen schaltete er das Licht ein.
    Irene war aufgestanden und in die hinterste Ecke des Raumes zurückgewichen. Sie zitterte, eine Schulter hochgezogen,

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