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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Augen zusammen.
    War das etwa Harry Hole?
    Der Mann hatte den Kopf eingezogen und trug einen weiten Mantel. Erst als er den Kopf drehte und sein Gesicht von der Straßenlaterne erhellt wurde, sah Truls, dass er sich geirrt hatte. Der Mann kam ihm zwar irgendwie bekannt vor, Hole war es aber nicht.
    Truls lehnte sich in seinem Sitz zurück. Endlich wusste er, wer gewonnen hatte. Er schaute nach vorne durch die Scheibe auf seine Stadt. Denn jetzt gehörte sie ihm. Der Regen murmelte auf dem Autodach, dass Harry Hole tot war, und ließ seine dicken Tränen auf Truls’ Windschutzscheibe fallen.
    Nach zwei Uhr nachts hatten die meisten ihren Fick hinter sich, so dass auch im Leons langsam Ruhe einkehrte. Der junge Mann an der Rezeption hob nur kurz den Kopf, als der großgewachsene Mann eintrat. Der Regen rann am Mantel und den Haaren des Pastors herunter. Anfangs hatte er Cato gefragt, was er gemacht hatte, wenn er erst nach mehreren Tagen wieder mitten in der Nacht im Leons auftauchte. Aber Catos Antworten waren immer so lang, detailreich und ermüdend gewesen, dass er ihm diese Frage nicht mehr stellte. In dieser Nacht sah Cato aber noch mitgenommener aus als sonst.
    »Harte Nacht gehabt?«, fragte er und hoffte auf ein »ja« oder »nein«.
    »Ach, weißt du«, sagte der alte Mann und lächelte blass. »Die Menssen, die Menssen. Außerdem wäre ich gerade beinahe umgebracht worden.«
    »Oh?«, sagte der junge Mann und bereute es gleich darauf. Jetzt würde er sich bestimmt wieder einen längeren Vortrag anhören müssen.
    »Hier direkt vor der Tür hatte es ein Autofahrer auf mich abgessehen«, sagte Cato und ging weiter in Richtung Treppe.
    Der Junge atmete erleichtert aus und konzentrierte sich wieder auf seinen Phantomas -Comic.
    Der große, alte Mann steckte den Schlüssel in die Tür seines Zimmers, drehte ihn herum und stellte zu seiner Überraschung fest, dass die Tür bereits offen war.
    Er trat ein. Schaltete das Licht ein, aber die Deckenlampe reagierte nicht. Dafür brannte die Lampe über dem Bett. Der Mann, der auf dem Bett saß, war groß. Sein Rücken war etwas gebogen, und er trug wie er selbst einen langen Mantel. Wasser tropfte von den Mantelschößen auf den Boden. Sie konnten sich nicht unähnlicher sein, trotzdem kam dem Alten in diesem Moment der Gedanke, dass es war, wie in sein Spiegelbild zu schauen.
    »Was machst du hier?«
    »Nun, ich bin natürlich eingebrochen«, sagte der andere. »Um zu sehen, ob du etwas von Wert hast.«
    »Und, hast du was gefunden?«
    »Von Wert, nein, nur das hier.«
    Der Alte fing, was der andere ihm zuwarf, hielt es zwischen den Fingern und nickte langsam. Es war ein gestärktes, bogenförmiges Stück Baumwolle. Nicht so weiß, wie es sein sollte.
    »Und das hast du bei mir gefunden?«, fragte der Alte.
    »Ja, in deinem Schlafzimmer. Im Kleiderschrank. Zieh es an.«
    »Warum?«
    »Weil ich meine Sünden bekennen will und weil du ohne so nackt aussiehst.«
    Cato betrachtete den anderen, der vornübergebeugt auf dem Bett hockte. Das Wasser rann ihm noch immer aus den Haaren und lief über die Narbe und den Kiefer bis zu seinem Kinn, von wo aus es auf den Boden tropfte. Er hatte den einzigen Stuhl des Zimmers mitten im Raum platziert. Beichtstuhl. Auf dem Tisch lagen ein geöffnetes Camel-Päckchen, ein Feuerzeug und eine zerbrochene, durchweichte Zigarette.
    »Wie du willst, Harry.«
    Er setzte sich, knöpfte sich den Mantel auf und schob den bogenförmigen Pastorenkragen unter den Kragen des Hemdes. Der andere zuckte zusammen, als er die Hand in die Jackentasche steckte.
    »Zigaretten«, sagte der Alte. »Für uns. Deine eigenen scheinen ja ersoffen zu sein.«
    Der Polizist nickte, und der Alte nahm die Hand aus der Tasche und hielt ihm ein geöffnetes Päckchen hin.
    »Du kannst ja auch ohne diesen schwedischen Akzent reden.«
    »Ja, ist sogar einfacher so. Aber die Norweger hören meinen wahren Akzent nicht, wenn ich dieses Schwedisch rede.«
    Harry nahm eine der schwarzen Zigaretten heraus. Sah sie an.
    »Du sprichst von deinem russischen Akzent?«
    »Sobranie Black Russian«, sagte der Alte. »Die einzige gute Zigarette, die man in Russland kriegen kann. Produziert wird die allerdings in der Ukraine. Ich hab die immer Andrej geklaut. Apropos Andrej, wie geht es ihm?«
    »Schlecht«, sagte der Polizist und ließ sich von dem Alten Feuer geben.
    »Das tut mir leid. Apropos schlecht. Du solltest tot sein, Harry. Ich weiß, dass du im Tunnel warst, als ich die

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