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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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aufzunehmen, und einem eigenen Heft, um die Fingerabdrücke der Familienmitglieder zu sammeln.
    »Für meinen Sohn«, erklärte er, als er bezahlte.
    Die junge Frau an der Kasse lächelte professionell.
    Er ging zurück in die Hausmanns gate und begann zu arbeiten. Nutzte die lächerlich kleine LED -Lampe, um nach Abdrücken zu suchen, und streute aus einer der Miniaturboxen Pulver darauf. Sogar der Pinsel war so klein, dass er sich wie der Riese aus Gullivers Reisen fühlte.
    Auf dem Schaft der Pistole waren Fingerabdrücke. Einen weiteren deutlichen Abdruck, vermutlich von einem Daumen, fand er auf der Rückseite des Spritzenkolbens, auf dem auch undefinierbare, kleine schwarze Partikel waren, die Harry für Pulverrückstände hielt.
    Als er alle Abdrücke auf die Plastikfolie übertragen hatte, verglich er sie. Es war dieselbe Person, die Pistole und Spritze in der Hand gehalten hatte. Harry hatte die Wände und den Boden rund um die Matratzen nach Fingerabdrücken abgesucht und einige gefunden, aber keiner davon passte zu dem auf der Pistole.
    Er öffnete den Lederkoffer und die innere Seitentasche, nahm heraus, was er dort verstaut hatte, und legte es auf den Küchentisch. Dann schaltete er die Minilampe ein.
    Er sah auf die Uhr. Noch elf Stunden. Unmengen Zeit.
    Es war zwei Uhr nachmittags, und Hans Christian Simonsen wirkte seltsam fehl am Platz, als er ins Restaurant Schrøder kam.
    Harry saß wieder an seinem Lieblingstisch ganz hinten am Fenster.
    Hans Christian setzte sich.
    »Gut?«, fragte er und schaute zur Kaffeekanne, die vor Harry stand.
    Harry schüttelte den Kopf.
    »Danke, dass du gekommen bist.«
    »Ich bitte dich, der Samstag ist doch mein freier Tag, da habe ich ja nichts zu tun. Also, was ist los?«
    »Oleg kann nach Hause kommen.«
    Das Gesicht des Anwalts leuchtete auf. »Heißt das …?«
    »Das, was so gefährlich für Oleg war, ist verschwunden.«
    »Verschwunden?«
    »Ja. Ist er weit weg?«
    »Nein. Etwa zwanzig Minuten außerhalb der Stadt. Nittedal. Was meinst du damit, dass die verschwunden sind?«
    Harry hob die Kaffeetasse an. »Bist du sicher, dass du das wissen willst, Hans Christian?«
    Der Anwalt sah Harry an. »Heißt das, dass du auch den Fall gelöst hast?«
    Harry antwortete nicht.
    Hans Christian beugte sich vor. »Du weißt, wer Gusto getötet hat, nicht wahr?«
    »Hm.«
    »Wie?«
    »Bloß ein paar übereinstimmende Fingerabdrücke.«
    »Und wer …?«
    »Nicht wichtig. Aber ich fahre jetzt wieder, es wäre deshalb schön, wenn ich Oleg heute noch tschüs sagen könnte.«
    Hans Christian lächelte. Gequält, aber es war ein Lächeln. »Bevor ihr fahrt, du und Rakel, meinst du?«
    Harry drehte die Tasse in der Hand. »Dann hat sie es dir erzählt?«
    »Wir haben eben zusammen gegessen. Ich habe ihr versprochen, ein paar Tage auf Oleg aufzupassen. Wenn ich sie richtig verstanden habe, soll jemand aus Hongkong kommen und ihn abholen. Deine Leute. Aber irgendwie muss ich sie missverstanden haben, ich dachte nämlich, du wärst schon in Bangkok.«
    »Ich hatte Verspätung. Es gibt da noch etwas, um das ich dich bitten möchte …«
    »Sie hat noch mehr gesagt. Du hast um ihre Hand angehalten.«
    »Oh?«
    »Ja. Auf deine Weise, natürlich.«
    »Na dann …«
    »Und sie hat gesagt, dass sie darüber nachdenken will.«
    Harry hielt die Hand hoch, er wollte den Rest nicht hören.
    »Das Resultat des Denkprozesses war ein Nein, Harry.«
    Harry atmete aus. »Gut.«
    »Dann hat sie gesagt, dass sie nun das Denken einstellen und stattdessen in sich hineinfühlen wolle.«
    »Hans Christian …«
    »Ihre Antwort lautet Ja, Harry.«
    »Hör mal, Hans Christian …«
    »Hast du nicht gehört? Sie will dich wirklich heiraten, Harry. Du lucky bastard !« Hans Christians Gesicht strahlte wie vor Glück, Harry wusste aber, dass es der Glanz der Verzweiflung war.
    »Sie hat gesagt, dass sie bis ans Ende eurer Tage mit dir zusammen sein will, Harry.« Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, und seine Stimme schwirrte irgendwo zwischen Falsett und Reibeisen. »Sie hat gesagt, dass sie es mit dir mal gut haben wird, mal nicht so gut und mitunter auch schrecklich bis direkt katastrophal. Wann anders dann aber auch wieder phantastisch.«
    Harry war sich sicher, dass sein Gegenüber Rakel wortgetreu zitierte, denn jedes ihrer Worte hatte sich in Hans Christians Herz eingebrannt.
    »Wie sehr liebst du sie?«, fragte Harry.
    »Ich …«
    »Liebst du sie genug, um dich für den Rest deines Lebens um sie und

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