Die Larve
Gefallen bitten. Und dir einen anonymen Hinweis auf einen weiteren Toten in diesem Fall geben.«
»Ich habe es gerade erfahren.«
»Dann wisst ihr es?«, fragte Harry überrascht. »Die Methode nennt sich zjuk . Das ist Russisch und heißt Käfer. «
»Von was redest du da?«
»Dem Ziegelstein.«
»Was für ein Ziegelstein?«
Harry holte tief Luft. »Und wovon redest du?«
»Gojko Toši.«
»Und wer ist das?«
»Der Typ, der Oleg angegriffen hat.«
»Und?«
»Der ist tot in seiner Zelle gefunden worden.«
Harry starrte direkt in ein Paar Scheinwerfer, das immer näher kam. »Wie …?«
»Das wird noch ermittelt. Sieht so aus, als hätte er sich erhängt.«
»Nicht er sich. Die haben den Piloten auch umgebracht.«
»Was?«
»Tord Schultz. Er liegt im Wohnzimmer seines Hauses in Gardermoen.«
Es vergingen zwei Sekunden, bis Beate antwortete. »Ich gebe das an die Kriminalwache weiter.«
»Okay.«
»Und was war das Zweite?«
»Was?«
»Du hast eben was von einem Gefallen gesagt?«
»Ach ja.« Harry grub das Klebeetikett aus seiner Tasche aus. »Ich frage mich, ob du das Logfile des Besucherregisters im Präsidium überprüfen und herausfinden kannst, wen Tord Schultz vor drei Tagen besucht hat.«
Es war wieder still.
»Beate?«
»Ja. Bist du sicher, dass ich in die Sache hineingezogen werden will, Harry?«
»Ich bin sicher, dass du das ganz und gar nicht willst.«
»Hol dich der Teufel.«
Harry legte auf.
Harry stellte den Leihwagen in einem Parkhaus im unteren Teil von Kvadraturen ab und ging zum Leons. Er kam an einer Bar vorbei, und die Musik, die durch das offene Fenster zu ihm nach draußen schallte, ließ ihn an den Abend denken, an dem er angekommen war. Nirvanas einladendes Come As You Are . Er war sich nicht bewusst, dass er durch die Tür in die Bar getreten war, bis er in dem langgestreckten Raum vor dem Tresen stand.
Drei Gäste saßen zusammengesunken auf ihren Barhockern, irgendwie wirkte die ganze Situation wie eine monatealte Begräbnisfeier, die kein Ende gefunden hatte. Es roch nach Tod und altem Fleisch. Der Barkeeper sah Harry mit einem Bestell-oder-mach-die Fliege-Blick an, während er langsam einen Korken von einem Korkenzieher drehte. Er hatte sich drei große, gotische Buchstaben quer über seinen breiten Hals tätowieren lassen. EAT .
»Was wollen Sie?«, rief er, um Kurt Cobain zu übertönen, der Harry bat, als Freund zu kommen. Nur als Freund. Wie ein alter Feind.
Harry befeuchtete seine Lippen, die mit einem Mal staubtrocken geworden waren. Blickte auf die schraubenden Hände des Barkeepers. Es war ein simpler Korkenzieher mit wenigen Drehungen, der eine sichere, trainierte Hand erforderte, dafür aber auch nur ein paar wenige Umdrehungen brauchte, um schnell und tief in den Korken einzudringen. Der Korken, den der Mann aus der Flasche zog, war vollkommen durchbohrt, eine Weinstube war dieser Laden also nicht gerade. Was servierten sie dann? Er sah sein verzerrtes Konterfei in dem Spiegel hinter dem Barkeeper. Das entstellte Gesicht. Aber da war nicht nur sein Gesicht. Da waren auch die Gesichter all der anderen, all der Gespenster und Wiedergänger, zu denen sich nun auch Tord Schultz gesellt hatte. Harrys Blick glitt wie eine wärmesuchende Rakete über die Reihe der Flaschen auf dem Glasregal, bis er sein Ziel fand. Jim Beam.
Kurt Cobain rief, dass er keine Pistole hatte.
Harry räusperte sich. Nur einen.
Komm, wie du bist, und nein, ich habe keine Pistole.
Er sagte, was er wollte.
»Häh!«, rief der Barkeeper und beugte sich vor.
»Jim Beam.«
Keine Pistole.
»Gin was?«
Harry schluckte. Cobain wiederholte das Wort memoria . Harry hatte den Song schon hundert Mal gehört, doch plötzlich wurde ihm bewusst, dass er immer gedacht hatte, Cobain sänge » The more« und dann irgendwie weiter.
Memoria. In memoriam. Wo hatte er das gesehen? Auf einem Grabstein?
Er nahm eine Bewegung im Spiegel wahr. Im selben Moment begann das Telefon in seiner Tasche zu vibrieren.
»Was für ein Gin?«, rief der Barkeeper und legte den Korkenzieher auf den Tresen.
Harry nahm das Telefon. Sah auf das Display. R. Er meldete sich.
»Hallo, Rakel.«
»Harry?«
Wieder eine Bewegung hinter ihm.
»Ich höre nur Lärm, Harry, wo bist du denn?«
Harry stand auf und ging mit raschen Schritten auf den Ausgang zu.
Sog draußen die abgasreiche, aber trotzdem frischere Luft ein.
»Was machst du?«, fragte Rakel.
»An einer Ecke stehen und mich fragen, ob ich rechts oder
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