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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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metallisch glitzernden Folterwerkzeugen erwarten würde und das Ehepaar Peters und der sadistische Dackel nur darauf gewartet hätten, uns in ihre Gewalt zu bekommen.
    Herr Peters schloss eine schwere, quietschende Eisentüre auf. Ich packte Ninas Arm.
    »Und das könnte Ihr neues Zuhause werden«, sagte Herr Peters stolz lächelnd.
    Nina und ich schoben uns hinter ihm her in das, was mein neues Zuhause werden könnte. Zwei Neonröhren erleuchteten einen riesigen Raum, der vollkommen - das heißt, deckenhoch! - mit ländlich gemustertem PVC ausgelegt worden war. Auf Boden und Wänden reichten in Trachten gewandete Buben rüschenbeschürzten Mägdelein die Hand zum Tanze, soweit das Auge reichte.
    Die ganze Pracht war auch noch möbliert. An der Stirnseite stand eine Kochzeile in vanillegelbem Kunststoff. Weiß-rot geblümte Plastikschalensessel aus den frühen Siebzigern gruppierten sich um einen runden Esstisch, der mit einer bunten Gummidecke geschont wurde. Der Plunder füllte lediglich knapp ein Drittel des Raumes. Der mittlere Teil war als Schlafzimmer gedacht, wie man unschwer an dem dunkelgrün lackierten Holzbett mit der dazu passenden Kommode erkennen konnte, in deren dreigeteiltem,

zusammenklappbarem Spiegelaufsatz
    die Trachtenmännlein und -weiblein in unendlicher Vielfalt tanzten. An der hinteren Wand beleidigten eine ockerfarbene Veloursledercouchgarnitur und ein mit Prilblu- men beklebter Schrank das Auge.
    Eine Sadomaso-Höhle hätte mich nicht mehr erschrecken können.
    Auch das Raumklima war erstaunlich. Man fühlte sich wie in einen großen Duschvorhang gewickelt und auf die Heizung gelegt. Ich war keines Wortes fähig.
    »Möbliert, aha«, sagte Nina köstlich amüsiert.
    »Und wo ist das Badezimmer?«
    Herr Peters nickte, als habe er die Frage erwartet.
    »Wir haben oben zwei Bäder. Das Bad im Erdgeschoss ist für das Fräulein vorgesehen. Sie müsste es mit niemandem teilen, außer wenn wir Besuch haben. Aber das kommt selten vor.«
    »Aha«, meinte Nina wieder und drehte sich zu mir um, um zu schauen, ob ich das Ganze nicht auch zum Brüllen komisch fand.
    Tat ich aber nicht. Nicht die Spur.
    »Sehr schön«, sagte Nina trotzdem heiter.
    »Obwohl es ein Keller ist. Ohne Fenster.«
    »Das ist nicht ganz richtig«, widersprach Herr Peters und deutete auf den Lichtschacht hinter einem Gitter an der Trachtenwand, in dem Spinnen und vermutlich auch Kröten in modrigem Laub ihr Dasein fristeten. »Aber im Prinzip haben Sie Recht.
    Deshalb ist die Miete ja auch so günstig. Wir haben es so behaglich wie möglich eingerichtet. Boden und Wände sind ganz neu gemacht, und die Möbel sind in einwandfreiem Zustand, und alles Sammlerstücke. Wir möchten daher auch nicht, dass etwas daran geändert wird. Allerdings, wenn Sie eigene Bilder haben, dürfen Sie diese selbstverständlich mitbringen und aufhängen, Fräulein Trost.«
    Ich war immer noch sprachlos. Herr Peters lächelte wohlwollend auf mich nieder.
    »Wenn wir uns für Sie entscheiden«, sagte er warm, »dann möchten wir Sie als unsere Haustochter bei uns willkommen heißen. Sie könnten dann selbstverständlich den Garten mitbenutzen, und meine Frau wird Ihnen mit Vergnügen das eine oder andere Rezept verraten, nicht wahr, Mutti?«
    Mutti nickte strahlend. »Rheinischer Sauerbraten ist meine Spezialität.«
    Der PVC-Geruch ringsrum hatte mein Gehirn benebelt. »Ja, nein, ich, eigentlich«, murmelte ich benommen und wollte ganz schnell nach Hause.
    Aber Nina machte die Sache hier richtig Spaß. Sie war durch den Raum gewandert und hatte sich an der Vielfalt der Muster und Farben gelabt.
    »So viel, so groß«, sagte sie und zwinkerte mir zu.
    »Ich denke, wir haben uns jetzt einen bleibenden Eindruck verschafft.«
    Herr Peters nickte zufrieden. »Das war früher mal mein Hobbykeller. Vierzig Quadratmeter sind das.
    Da habe ich meine Tiere präpariert. Ich bin nämlich Jäger, müssen Sie wissen, staatlich geprüft.«
    Er schloss die schwere Feuerschutztüre zu, und wir schlurften wieder im Gänsemarsch durch den dunklen Gang nach oben. Ich öffnete die Haustür und schnappte nach Luft.
    »Ich melde mich dann bei Ihnen«, stammelte ich undeutlich und taumelte die Eingangsstufen hinab.
    Aber Nina wollte noch nicht gehen.
    »Wie kamen Sie denn auf die Idee, Ihren Hobbykeller für eine Haustochter zu opfern?«, fragte sie.
    Herr Peters setzte eine pietätvolle Miene auf.
    »Nun, se

    hen Sie, wir sehen jeden Tag die schlimmen Nachrichten im

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