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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Fernsehen über die allgemeine Wohnungsnot, und da dachten wir, warum sollen wir nicht ein bisschen von unserem Platz opfern und einer anständigen, jungen, deutschen Frau mit guter Erziehung ein Heim geben.«
    »Wenn Felicitas bei Ihnen wohnen darf, kann sie sich wirklich glücklich schätzen«, sagte Nina scheinheilig.
    Ich zog sie gewaltsam Richtung Auto.
    »Obwohl sie genau genommen keine Deutsche ist.
    Ihre Mutter ist Chinesin«, schrie Nina über ihre Schulter und gluckste albern. »Aber die kann einen rheinischen Sauerbraten machen, da legen Sie die Ohren an. Besser als jede Peking-Ente.«
    Ich sah nicht, was Herr Peters für ein Gesicht machte, sondern beeilte mich, die Wagentüre aufzureißen, bevor er seinen sadistisch veranlagten Dackel auf uns hetzen konnte. Nina brüllte vor Lachen. •
    »Danke, dass du mich mitgenommen hast«, keuchte sie schließlich. »Ich hatte ja so eine triste Woche.«
    »Gern geschehen«, sagte ich deprimiert.
    »Kopf hoch, Felicitas.« Nina gackerte immer noch.
    »Einen Job hast du ja jetzt schon. Es wird sich bestimmt auch noch eine Wohnung finden.«
    Ich glaubte nicht mehr daran. Rothenberger hatte mir eine tote Maus aufs Kopfkissen gelegt, als ich nach Hause kam. Ich musste das Bett frisch beziehen und ihn ausgiebig loben. Anschließend rief ich bei Oma an.
    »Ich bin's, Oma. Hast du schon geschlafen?«

    »Nein, da ist ein Krimi im Fernsehen, Kind. Und ich will wissen, wer die alte Dame vom Balkon gestoßen hat.«
    »Sind deine Zähne wieder aufgetaucht?«
    »Ja, stell dir mal vor. Ich musste die Dietrich nur lange genug mit den alten Zähnen angrinsen, und da hat dieses Weib den Spaß verloren und das Gebiss wieder hingelegt.«
    »Wohin, Oma?«
    »Ich fand es unter der Fernsehzeitung.« Oma schnaubte. »Deine Mutter wollte mir einreden, dass ich es selber dahin gelegt habe, aber kannst du mir mal bitte verraten, wieso ich so was Dämliches tun sollte?«
    »Nein, Oma. Was ganz anderes. Du hast doch gesagt, die Eva Märker sei gestorben.«
    »Ach, ja, Kind«, sagte Oma fröhlich. »Aber weißt du was? Die hat sich wieder erholt.«
    »Das weiß ich jetzt auch«, sagte ich vorwurfsvoll.
    »Die Großeltern von dem Mädchen sind doch in meinem Altenclub, das weißt du doch? Der Opa hat so riesige Ohren. Wie diese runden neumodischen Dinger, die jetzt jeder auf dem Dach hat. Jedenfalls haben die mir gesagt, dass die Eva krank ist. Nette Leute sind das. Die fragen auch immer nach dir.«
    »Aber krank ist doch nicht gleich tot!«
    »Nein, das nicht«, sagte Oma. »Aber eine Woche später habe ich die alte Dame beim Bäcker gesehen.
    Ganz in Schwarz. Da musste ich doch denken, dass die Enkeltochter gestorben ist. Verstehst du?«
    »Ach, so war das«, seufzte ich. »Schlaf schön, Oma.«
    »Du auch. Es war übrigens der Schwiegersohn.«

    »Was?«
    »Der Schwiegersohn hat die Alte vom Balkon gesto-
    ßen. Gute Nacht, mein Kind.«
    »Gute Nacht, Oma.«

Die sechste Gelegenheit
    DIE COMPUTER DER Firma Hoppe und Partner stammten noch aus der Pionierzeit der elektronischen Datenverarbeitung. Jedenfalls sahen sie so aus.
    »Wir arbeiten mit einem eigens für uns entwickelten Warenwirtschaftsprogramm«, erklärte mir Wolfs Vorzimmerdame, die mich in meine Arbeit am englischsprachigen Katalog einweisen sollte.
    »Jeder PC-Platz ist mit separaten Kennworten ausgerüstet, die nur beschränkten Zugang zu den einzelnen Datenbänken gewähren.«
    »Aha«, sagte ich und sah mich verstohlen um.
    Der Raum, in dem ich die nächsten zwei Wochen arbeiten sollte, war mehr ein Verlies als ein Büro. Es gab kein Fenster nach draußen, aber dafür eine Glaswand zu Wolfs Vorzimmer, sodass ich bei der Arbeit immer Blickkontakt zu Wolfs Sekretärin haben würde. Es war die gleiche, die mich schon zwei Tage vorher beim Vorstellungsgespräch begrüßt hatte.
    »Mein Name ist Müller-Seitz«, sagte sie. Sie war ungefähr Mitte Vierzig und hatte jenen platten, schmucklosen Pagenkopf in Aschblond, den wir bei uns zu Hause gemeinhin als »evangelischen Haarschnitt« bezeichneten, weil über fünfzig Prozent der weiblichen Mitglieder des Kirchenchors die gleiche Frisur hatten. Eigentlich war Frau Müller-Seitz mehr der Typ ältliche Jungfer, aber der Doppelname ließ darauf schließen, dass sie entweder einen Herrn Müller oder einen Herrn Seitz geehelicht hatte.
    Frau Müller-Seitz hatte bei Hoppe und Partner eine Menge zu sagen. Sie war eine der wenigen Eingeweihten, die eine Computerschulung hatten mitmachen

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