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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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letzte Woche zu meinem Geburtstag eingeladen.«
    »Jetzt ist sie auf jeden Fall tot.«
    »Das glaube ich einfach nicht.«
    »So was geht manchmal schneller, als einem lieb ist.«
    »Tatsächlich hat sie gesagt, dass sie krank gewesen ist. Rippenfellentzündung oder so was«, erinnerte sich Nina unsicher. »Aber sie war schon wieder gesund.«
    »Vielleicht hatte sie einen Rückfall«, mutmaßte ich.
    »Denn jetzt ist sie auf jeden Fall tot.«

    »Ich glaub' das immer noch nicht«, rief Nina. »O
    Gott, ich muss Almut anrufen. Oder Peter. Vielleicht wissen die mehr.«
    »Ja, tu das«, sagte ich. »Und frag, wann die Beerdi-gung ist.«
    »Eva ist drei Monate jünger als ich«, meinte Nina.
    Sie war ehrlich betroffen. »Und wir wollten am Samstag ins Kino gehen.«
    »Du kannst mit mir gehen«, schlug ich vor, aber da hatte Nina schon aufgelegt.
    Die fünfte Gelegenheit
    MEINE MUTTER WECKTE mich an meinem ersten offiziell arbeitslosen Tag, um mich daran zu erinnern, dass es nun an der Zeit wäre, die Ärmel hochzukrempeln und sich dem Leben zu stellen. Mit derselben Botschaft weckte sie mich auch an meinem zweiten arbeitslosen Tag, und weil ich mir leicht ausmalen konnte, dass das jetzt so weitergehen würde bis zu meinem Jüngsten Tag, überwand ich meine Abneigung und rief bei Hoppes Reiterbedarf an. Roswitha hatte mein Schicksal offensichtlich in bewegenden Worten geschildert, denn ihr Gatte war überaus freundlich und bat mich, am besten doch gleich selber vorbeizukommen, um die Situation in einem persönlichen Gespräch zu erörtern.
    Ich überlegte lange, was ich zu einem solchen Vör- stellungsgespräch anziehen sollte, und entschied mich schließlich für meinen braunen Blazer mit schwarzem Samtkragen, einen sportlichen Pferdeschwanz und derbe, aber wohlgeputzte Schuhe. Als ich mich abschließend im Spiegel betrachtete, sah ich aus wie Nicole Uphoff-Dingenskirchen. Na bitte.
    Die Firma Hoppe und Partner GmbH hatte ihren Sitz in einem Industriegebiet weit im Norden der Stadt, mit der Bahn eine knappe halbe Stunde von meiner Wohnung entfernt. Schon an der Gestaltung der kleinen Eingangshalle erkannte ich, dass ich mit meinem Outfit goldrichtig lag. Man hatte einige ausgewählte Reit
    gerten, Stiefel, Sättel und Huffettdosen zu einem kunstvollen Arrangement getürmt, in dessen Mittelpunkt ein lebensgroßes Kunststoffpferd thronte.
    Hinter einem Tresen aus Kunststoff stand eine Dame, die mir pantomimisch den Weg zum Chef wies, ohne ihr Telefonat zu unterbrechen. Wolf Hoppes Büro lag im ersten Stock und wurde von einer Sekretärin bewacht, die für mich an die mit dunkelgrünem Leder beschlagene Türe klopfte.
    Wolf Hoppe empfing mich hinter einem antiken englischen Schreibtisch von solch imponierender Tiefe, dass ich seine ausgestreckte Hand nicht schütteln konnte, ohne mit den Goldknöpfen meines Blazers auf der ledernen Schreibunterlage entlangzuschaben.
    Er kam gleich zur Sache. »Meine Frau hat mir deine, hchm, sagen wir mal so, deine missliche Lage auseinander gesetzt. Und unsere Natalie sagt, dir ginge es auch privat gar nicht gut. Die haben ein weiches Herz, meine beiden Frauen, und ich würde dir, hchm, dir daher gerne, hchm, sehr gerne helfen.«
    Die Angewohnheit, sich zwischen zwei Silben zu räuspern und Worte oder ganze Satzteile zu wiederholen, hatte er schon früher gehabt. Was war das immer komisch gewesen, wenn er an der Haustür geschellt hatte, um sich über mich zu beschweren. Ich hatte dann bäuchlings auf dem Treppenabsatz gelegen und den Kopf über die oberste Treppenstufe baumeln lassen, um ja keine Silbe zu verpassen. >Wir haben - räusper -, >wir haben Grund zu dem Verdacht- - räusper -, »dass eure Felicitas- - räusper -, 'dass eure Felicitas unserer Natalie Regenwürmer in die Butterbrotdose getan hat.- Hatte sie auch.
    »Es ist sehr nett, dass Sie mir helfen wollen.« Ich lächelte original wie Nicole Uphoff.
    »Nun ja.« Wolf zog seine Stirn in kummervolle Falten. »Wir sind zwar ein florierendes Unternehmen, sogar das führende in der Branche, ein Unternehmen, das, sagen wir mal so, ständig expandiert, aber ich bin doch etwas vorsichtig, wenn es um die Einstellung neuen Personals geht.«
    Ich nickte verständnisvoll. Wie sollte man einer trauen, die der eigenen Tochter Regenwürmer in die Butterbrotdose getan hatte?
    »Dieses Unternehmen existiert seit über hundert Jahren«, fuhr Wolf flüssig fort, »und in der ganzen Zeit hat noch kein Mitarbeiter gekündigt.«
    Ich riss

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