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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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davon verschont geblieben. Es war aber nicht nur deshalb wirklich schön. Der Turm hatte acht Ecken, innen lag das Gebälk frei, eine Wendeltreppe führte auf einen Spitzboden unter dem Dach. Hohe Sprossenfenster ermöglichten bei Tag einen Blick über den Garten und den ganzen Dornröschenweg.
    Aber das Zimmer allein machte die anderen Makel auch nicht mehr wett. Britt hatte es mit altmodischen Holzmöbeln eingerichtet, ein Bett mit geschwungenem Kopiteil, dazu passend
    Frisierkommode, Schrank und Schreibtisch. Alle Teile trugen eine Schnitzerei mit den Buchstaben BB.
    »Meine Initialen«, sagte die mitteilsame Britt.
    »Mein Ex-Freund hat die Sachen geschreinert. Erik.
    Er wohnt im Zimmer gegenüber. Ihm gehört das Haus. Er hat es geerbt.«
    »Hat er die Graffitis gemacht?«
    »Nein, das war Jürgen. Jürgen ist Künstler, Bildhauer, um genau zu sein. Erik ist nur Handwerker. Das ist ein großer Unterschied. Jürgen wohnt im ersten Stock.«
    »Aha«, sagte ich. Der Scheiße-Sprayer wohnte also auch im Haus.
    »Die Möbel müsstest du schon übernehmen, ich lass sie nämlich hier.« Britt seufzte. »Zu viele schmerzliche Erinnerungen. Und außerdem ist das neue Apartment teilmöbliert. Bertold hat ein Futon mit Wasserbett angeschafft. Willst du mal sehen?«
    Mein Interesse an Wasserbetten hielt sich in Grenzen, aber Britt hielt mir das Foto eines bebrillten Mannes mit faltigem Hals unter die Nase.
    »Das ist Bertold, mein Professor.«
    »Alt«, sagte ich schockiert.
    »Erik sieht natürlich besser aus, er ist ja auch dreißig Jahre jünger und verbringt seine Freizeit mit Sport statt mit Bildung. Bertold ist auf eine andere Weise erotisch, weißt du, weniger über das Körperliche.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Mit Erik war alles so - durchschnittlich. Na ja, er ist Schreiner, und als Handwerker eben intellektuell minderbemittelt. Wir haben uns auseinander gelebt.«
    Zum Glück für Erik, dachte ich.
    »Zweitausend für die Möbel«, sagte Britt auf dem Weg nach unten. »Erik könnte die Initialen sicher herausschleifen.«
    Ich sagte nicht, dass sie sich ihre Möbel sonst wo-hin schieben konnte. Erst wollte ich die unteren Räume sehen. Auch die Wöhnzimmerwände waren mit den »Scheiße«-Graffitis verziert, nicht mal der ursprünglich weiße stuckverzierte Kaminsims war davon verschont geblieben. Auf einem
    durchgesessenen Sofa lag eine schwarze Katze und schlief. Britt bot mir noch eine Tasse Kaffee an.
    »Bertolds Apartment ist auch nur eine Übergangslösung«, erzählte sie mir. »Sobald er seine Frau verlässt, suchen wir uns was Größeres.«
    Wiebke und ein rundlicher Typ mit Brille und Flusen-bart unterbrachen sie.
    »Bitte, Jürgen, es wär' ja nur ein einziges Bild. Du musst bloß zwei Dübel in die Wand bohren.«
    »Nee, du«, sagte der Flusenbärtige. »Immer dreht sich alles um dich. Ich muss auch mal an mich denken.«
    Wiebke sah ihn wütend an. »Du und dein Gerede von Solidarität. Wenn man dich mal braucht!«
    »Das ist Jürgen, der Bildhauer«, stellte Britt vor.
    »Und das ist Felicitas, die interessiert sich für mein Zimmer.«
    »Hallo«, sagte Jürgen. »Bist du mit dem Auto hier?«

Ich nickte.
    »Apropos Auto«, sagte Britt. »An meinem Auto ist was nicht in Ordnung. Könntest du wohl mal danach gucken?«
    »Klar, mach' ich.«
    »Ach, Scheiße!«, rief Wiebke. »Aber wenn ich dich um was bitte, kannst du nicht. Du Arschloch.«
    Sie knallte die Tür hinter sich zu.
    Jürgen goss sich seelenruhig eine Tasse Kaffee ein.
    »Das ist Kaffee aus einer Kleinbauerninitiative in Peru«, erklärte er mir. »Der kostet was mehr als Kaffee, mit dem nur die Großgrundbesitzer reich werden. Aber das ist es uns wert.«

Ich nickte.
    »Hat sie Geld in die Kasse getan?«, fragte er Britt.
    Britt schüttelte den Kopf und hielt mir eine Porzel-landose in Form eines nackten Hinterns hin. Der Geldschlitz lag exakt zwischen den beiden Pobacken. »Das ist unsere Kaffeekasse, hat Jürgen eingeführt. Alle, die können, sollen hier einen kleinen Beitrag zum Kostenausgleich reinstecken.«
    Ich holte mein Portemonnaie aus der Tasche.
    »Wie viel?«
    Jürgen zuckte mit den Schultern. »Was sind dir die Bauern in Peru denn wert?«
    Ich schob der Spardose einen Heiermann in den Hintern.
    »Aus paritätischen Gründen wollte ich ja eigentlich einen Mann als Britts Nachfolger«, sagte Jürgen. Er zählte offenbar Wiebkes Tochter und die Katze mit. »Aber aus Erfahrung komme ich mit Frauen besser klar. Also hätte ich nichts

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