Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
und wurde wieder schön und schlank. Dann habe ich mit meinem Ersparten eine Weltreise gemacht, drei Monate lang. Und als das Geld alle war, bin ich hierher gekommen, habe mir eine Wohnung und einen Job gesucht. Und jetzt bereite ich mich auf meine nächste Lebensphase vor.«
    »Die Selbständigkeit«, meinte ich beeindruckt.
    »Genau. Obwohl man bei dem Gehalt hier nicht unbedingt viel auf die hohe Kante legen kann. Aber den Fluch bin ich los. Und wenn du deinen Fluch auch loswerden willst, kann ich dir helfen.«
    Ich sah sie überrascht an. Beate blickte ernst zurück. Einen Augenblick lang herrschte vollkommene Stille um uns herum.
    In diesem Moment klingelte das Telefon.
    Gleichzeitig erscholl Kernigs Stimme aus dem Stentofon. »Frau Trost, kommen Sie bitte mal zu mir.«
    »Ich wüsste auch schon, wen wir stattdessen verhexen können«, meinte Beate.
    Kernig lächelte mir entspannt entgegen, als ich sein Büro betrat.
    »Ich habe mit Herrn Hoppe über Ihren Urlaub gere-det«, sagte er aufgeräumt.
    »Dann ist es ja gut«, seufzte ich erleichtert.
    »Er meint, es wäre kein Problem, wenn Sie sofort in der zweiten Januarwoche Urlaub nehmen würden.«
    Ich schluckte schwer. »In der zweiten Januarwoche? Da brauch' ich keinen Urlaub, ich brauche den über Weihnachten und Neujahr, weil für diese Zeit alles gebucht ist.«
    »Nun ja, da geht es nicht, das hatte ich Ihnen ja schon
    gesagt«, entgegnete Kernig ungerührt. »Wie weit sind Sie denn mit der Pferdebällegeschichte?«
    »Dieser Urlaub ist für mich sehr wichtig«, sagte ich, den Tränen nah. »Genau genommen habe ich die Stelle nur unter der Voraussetzung angenommen, dass ich diesen Urlaub bekomme.
    Herr Hoppe hatte es mir fest versprochen!«
    »Tja«, sagte Kernig nur lapidar.
    Ich hasste ihn. Ich hasste ihn so sehr, dass ich kein Wort mehr sagen konnte. Sprachlos verließ ich sein Büro.
    »Geh zum alten Hoppe«, riet mir Beate, als ich mich bei ihr ausgeheult hatte. »Der hat dir den Urlaub ja schließlich versprochen.«
    Das war eine sehr gute Idee. Dass mir das nicht selbst eingefallen war! Wolf würde mir natürlich helfen.
    »Guten Tag«, sagte ich zu Frau Müller-Seitz. »Ist Herr Hoppe da? Ich möchte schnell mal rein, um ihn was zu fragen.«
    »Das geht jetzt nicht«, sagte die Müller-Seitz streng.
    »Es dauert nicht lange.« Ich hatte die Türklinke zum altenglischen Heiligtum schon in der Hand.
    »Stop!«, rief die Müller-Seitz so scharf, dass ich den Türgriff wieder losließ.
    »Sie können gerne einen Gesprächstermin mit Herrn Hoppe vereinbaren«, setzte sie etwas leiser hinzu und blätterte ihren Tischkalender auf. »Mal sehen, diese Woche ist ganz schlecht. Und nächste Woche würde nur der Mittwoch gehen, da kann ich Sie für zehn Uhr eintragen.«
    »Mittwoch ist zu spät«, jammerte ich. »Bitte -«
    »Falls Herr Hoppe den Termin nicht wünscht, sage ich Ihnen selbstverständlich noch Bescheid«, fuhr die
    Müller-Seitz unbeirrt fort. »Sie sind ja jetzt hier im Hause erreichbar, hahaha.«
    Sehr komisch. »Hören Sie, ich möchte nur ganz schnell etwas mit ihm abklären. Wenn er da ist, hat er sicher nichts dagegen.«
    »Ganz sicher doch!« Die Müller-Seitz strich sich mit der Hand durch ihren evangelischen Haarschnitt und sah sehr sicher aus. »Mittwoch um zehn dann?«
    Ich zog kurz in Erwägung, die Alte einfach zu ignorieren und Wölfs Büro zu stürmen oder sogar auf meiner ganz privaten Beziehung zu unserem Chef als Vater meiner alten Schulfeindin herumzupochen, aber ich hatte das sichere Gefühl, dass ich der Verlierer sein würde. Mit hängenden Schultern verließ ich das Vorzimmer. Als ich an Klaus Kernigs offener Bürotüre vorbeikam, lächelte er mir zu.
    »Die Pferdebälle, Frau Trost«, erinnerte er mich.
    »Wie weit sind Sie denn?«
    Er hatte gesiegt.

Die zehnte Gelegenheit
    OBWOHL ICH WEGEN der Ralf-Geschichte ehrlich sauer auf Nina war, legte ich nicht gleich auf, als sie mich das nächste Mal anrief.
    Sie sagte, sie habe eine Wohnung für mich. Und ehe ich mich darüber freuen konnte, setzte sie hinzu: »Genauer gesagt, ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft.«
    »Vergiss es!«, sagte ich.
    »Ich habe lange darüber nachgedacht«, rechtfertigte sich Nina. »Aber ich glaube, dass es das Richtige für dich ist, solange du keinen Mann hast. In der WG wohnt eine Mutter aus meinem Eltern-Kind-Kontaktkreis, von der weiß ich das mit dem Zimmer. Sie ist allein erziehend und sagt, die
    "WG ist ein fast vollkommener

Weitere Kostenlose Bücher