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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Büro. Sie stand vor dem Aktenschrank und kehrte mir den Rücken zu.
    »Hallo«, sagte ich fröhlich.
    Frau Saalbach drehte sich zu mir um. Ich fand, dass sie heute sehr schick aussah. Sie trug Make-up und eine feine, dunkelrote Bluse, die zu der Farbe ihres Lippenstifts passte.
    »Das ist aber eine schöne Bluse«, sagte ich.
    »Verarschen kann ich mich selber«, fauchte die Saalbach, wobei ihr Tränen in die Augen schössen.
    Ich war ehrlich erschrocken. Glücklicherweise kam in diesem Augenblick Frau Daubenbüschel ins Zimmer.
    »Mahlzeit«, sagte sie zu mir.
    »Hallo«, sagte ich verstört. »Ich wollte nur -«
    Frau Daubenbüschels Blick wanderte von mir zu Frau Saalbach hinüber. Sie grinste.
    »Kümmern Sie sich nicht um die«, sagte sie. »Die hat nicht alle Tassen im Schrank.«
    Ich warf noch einen letzten Blick auf Frau Saalbach, die finster zurückstarrte, und beschloss dann, Frau Dau
    benbüschels Rat zu folgen und mich nicht mehr um sie zu kümmern.
    »Es geht um die Pferdebälle«, sagte ich. »Wissen Sie was darüber?«
    »Aber ja«, sagte Frau Daubenbüschel. »Wir arbeiten gerade an unserer Infoaktion. Das heißt, ich arbeite. Frau Saalbach hat zu viel damit zu tun, sich über mich zu beschweren.«
    »Halten Sie Ihr verfluchtes Schandmaul«, fauchte die Saalbach.
    Frau Daubenbüschel reichte mir einen Stapel mit Kopien. »Das hier sind die Pressetexte über die Bälle und eine englischsprachige
    Produktinformation. Ich habe sie noch nicht übersetzt, sonst würde ich es Ihnen geben.«
    »Vielen Dank«, sagte ich. Die englische Produktinformation war sowieso besser für meine ausländischen Kunden geeignet.
    »Bei Frau Müller-Seitz können Sie ein Video einsehen, das die Pferde im Spiel mit den Bällen zeigt«, erklärte mir Frau Daubenbüschel noch.
    »Wenn Sie sie ganz untertänigst darum bitten, heißt das.«
    Ich sah mich außer Stande, Frau Müller-Seitz noch einmal aufzusuchen und sie untertänigst um etwas zu bitten. Es würde auch ohne Video gehen.
    Schließlich habe ich eine blühende Fantasie.
    Abends machte ich mich sorgfältig für das Probeessen in Eriks WG zurecht. Ich zog einen ungebleichten Pullover aus ökologischem Baumwollanbau an, obwohl der für diese Jahreszeit viel zu dünn war, und dazu eine Jeans mit Loch überm Knie. Auf Lippenstift und größe res Make-up verzichtete ich, weil ich nicht wusste, ob diese Produkte ohne Tierversuche auf Hautverträglichkeit geprüft worden waren. Der Naturlook stand mir aber ganz gut.
    Jürgen kam mir mit einem großen Koffer auf dem Gartenweg entgegen. Es war ein feiner Koffer aus honigfar- benem Leder mit Metallecken, sehr elegant. Er gehörte Britt. Sie war schon dabei, das Turmzimmer für mich zu räumen. Ich traf sie im Wohnzimmer, wo sie das einzig schöne Bild abhängte, eine Fotografie von Mapple- thorpe mit einem lebensgroßen, männlichen Arm.
    »Das hab' ich Erik mal geschenkt«, sagte sie. »Ich denke, es ist gut, wenn ich es mitnehme.« Sie lächelte mich an. »Eine schmerzliche Erinnerung weniger.«
    Ich lächelte säuerlich zurück. Wenn ich erst mal hier wohnte, würde Erik froh sein, dass er Britt so einfach losgeworden war.
    Wiebke stand in der Küche und bereitete die Mahlzeit vor. »Gut, dass du kommst«, sagte sie. »Du kannst die Zwiebeln schneiden, ich hasse das!«
    Wer tat das nicht! Aber die Tränen konnten meiner dezent aufgetragenen wasserfesten Wimperntusche nichts anhaben. Es sollte Frikadellen, Pellkartoffeln und Salat geben.
    »Zur Feier des Tages«, sagte Wiebke. »Denk nicht, dass es hier jeden Tag ein Festessen gibt. Die Gästeumlage beträgt elf achtundsiebzig.«
    Ich schob zwölf Mark in den Hintern der Kaffeekasse und durfte dann die Kartoffeln abschrubben und den Salat waschen. Anschließend deckte ich den Tisch.
    »Für mich nicht«, sagte Britt, die dabei war, die einzigen schönen Sektgläser aus der Vitrine in einen Karton zu räumen. »Ich bin auf Diät.«
    »Sind das nicht meine Gläser?«, erkundigte sich Erik, der eben zur Tür hereinkam. »Hallo, Felicitas.
    Schön, dass du gekommen bist.«
    »Aber wir haben die zusammen ausgesucht! Und wo, bitte, soll ich draus trinken?«, sagte Britt.
    Erik zuckte nur mit den Achseln. Vielleicht war er froh, dass Britt alle schmerzlichen Erinnerungen mitnahm. Aber Britt machte da feine Unterschiede.
    »Vergiss nicht, die komische Stehlampe mitzuneh-men«, sagte Erik, und da sah ihn Britt empört an.
    »Das scheußliche Ding? Und wo, bitte, soll ich die

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