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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Kalender dort an der Türe eingetragen!« Das war sozusagen meine erste offizielle Amtshandlung gewesen.
    »Es ist sicher alles ein Missverständnis Ihrerseits«, meinte Kernig nach einem Blick auf den Urlaubskalender und wandte sich zum Gehen. »Aber ich werde das jetzt gleich abklären.«
    »Ich komme mit«, sagte ich eifrig.
    Kernig drehte sich um. »Haben Sie denn nichts zu tun?«
    »Doch«, sagte ich. »Jede Menge.«
    »Dann tun Sie bitte auch, wofür Sie bezahlt werden.«
    »Aber-...« Herr Kernig hatte mich einfach stehen lassen.
    »So ein Arschloch«, entfuhr es mir.
    »Wir nennen ihn kleines Arschloch«, sagte Beate, die natürlich zugehört hatte.
    «Er ist das kleine Arschloch?«
    »Ja«, sagte Beate. »Klaus Kernig, das kleine Arschloch. So haben die ihn schon genannt, als er hier noch Azubi war!«
    »Hier?«
    Beate nickte. »Als Großhandelskaufmann, der kleine Scheißer. Von da bis heute, wo sein Name immerhin auf dem Briefpapier der Firma steht, war es ein weiter Weg. Er hat eine reiche, siebzehn Jahre ältere Frau geheiratet. Mit ihrem Kapital konnte er sich in die Firma einkaufen. Damit ist für den Guten ein Traum wahr geworden: Geschäftsführer, Chef von lauter abhängigen Untergebenen.«
    »Geschäftsführer eines Reiterbedarfgroßhandels.
    Es ist schon merkwürdig, wie unterschiedlich die Träume der einzelnen Menschen aussehen«, sagte ich nachdenklich.
    »Wovon träumst denn du?«
    »Jedenfalls nicht von einer Karriere in einem Geschäft für Reitstiefel und Aschenbecher mit Pferdeköpfen«, seufzte ich und dachte an David mit den grünen Augen. »Eigentlich träume ich überhaupt nicht von Karriere. Am liebsten hätte ich eine Familie.«
    Spontan vertraute ich Beate meine Vision vom Haus im Grünen mit Kirschbaum und Schaukel an, Garten- teich, Rosenlaube und liebem, erotischem und fantasievollem Mann inklusive. »Spießig, hm?«
    Beate schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt«, sagte sie. »Für mich persönlich ist eine Ehe nicht unbedingt erstrebenswert, ich habe ja auch schon eine hinter mir. Mein Traum war es auch niemals, den .ganzen Tag hinter dem Schreibtisch zu sitzen und Briefe für ein kleines Arschloch zu schreiben.
    Aber als ich vor einem Jahr aus dem Osten gekommen bin, war ich erst mal froh, überhaupt einen Job zu kriegen. Irgendwann habe ich meinen eigenen Laden. Alles zu seiner Zeit, sag' ich immer.«
    »Was für einen Laden?«, fragte ich neugierig.

    »Einen - ähm - einen Laden für alles Mögliche. Er-zähle ich dir später mal von.«
    »Aber dafür braucht man Geld«, wandte ich ein.
    »Ja, und Mut«, meinte Beate. »Im Augenblick sammle ich noch beides! Wie lange warst du arbeitslos?«
    Ich dachte kurz nach. »Eigentlich gar nicht«, sagte ich dann. »Das war ein fließender Übergang.«
    »Das heißt, dieser Job war überhaupt gar nicht dein letzter Ausweg?«
    »Irgendwie doch«, flüsterte ich. Und dann brach die ganze Geschichte aus mir heraus. Die verhängnisvolle Kette von unglückseligen Ereignissen, aufgrund derer ich jetzt hier saß, angefangen mit dem Ende von Jorge und Kriechbaum und meiner Beziehung zu Till bis hin zu meiner bevorstehenden Obdachlosigkeit.
    »Eigentlich bin ich nicht abergläubisch oder so was, aber diesmal glaube ich wirklich, dass ich verhext worden bin«, schloss ich, den Tränen nahe.
    »Aber keiner würde mir das glauben.«
    Beate hatte aufmerksam zugehört. Sie öffnete eine Schublade in ihrem Schreibtisch, nahm etwas heraus und kam auf meine Seite herüber.
    »Ich muss dir mal was zeigen«, sagte sie und hielt mir ein Foto hin. Es war das Bild einer dicken, blonden Frau mit herabhängenden Mundwinkeln.
    »Wer ist das?«, fragte ich verwundert.
    »Das bin ich«, antwortete Beate. »Das heißt, das war ich. Vor genau einem Jahr, drei Monaten und siebzehn Tagen.«
    »Du?« Ich starrte die dicke, blonde Frau auf dem Foto verblüfft an. Ganz allmählich erst schien sie eine entfernte Ähnlichkeit mit der schlanken, pfiffigen Rothaarigen anzunehmen, die hier neben mir stand.
    »Ja, das war ich«, wiederholte Beate.
    »Bevor du mit Slim-Fraß fünfzig Kilo abgenommen hast?«
    »Bevor ich den Fluch gelöst habe, der auf mir lastete.«
    »Du warst auch verflucht?« Ja, gab's denn so was?
    »O ja«, sagte Beate. »Der Fluch hatte mein Leben beinahe zerstört, bevor ich mir endlich eingestanden habe, dass er nicht nur in meiner Einbildung existiert. Ich war völlig am Ende.«
    »Und was hast du getan?«
    »Zuerst habe ich meinen Mann verlassen

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