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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Mitschüler ab und wollten wissen, was ich so machte.
    »Und selbst?«, fragte ich zurück. Überflüssig zu sagen, dass sie alle verheiratet waren, unheimlich erfolgreich und stolze Besitzer von Eigenheimen sowie geborenen oder noch ungeborenen Kindern.
    »Und du?« Mir wurde mitleidig auf die Schultern geschlagen. »Man hat uns gerade erzählt, dass du deinen Führerschein los bist, wegen Trunkenheit am Steuer.«
    Ich schüttelte milde den Kopf. »Da hat euch Natalie einen Bären aufgebunden.«
    Auf dem Weg zum Klo dementierte ich noch drei weitere Gerüchte, eines davon bezüglich meiner Liebschaft mit unserem gichtgebeugten, graubärtigen ehemaligen Erdkundelehrer. Natalie hatte ihr Gift gründlich verspritzt. Schließlich traf ich auf Till, umringt von ehemaligen Mitschülern, die ihm staunend lauschten.
    »Als Schauspieler kommt man unheimlich viel herum«, sagte er. »Heute kleines Fernsehspiel in Hamburg, morgen Theater in München.«
    Seine Zuhörer schienen beeindruckt.
    »Jeder hier weiß, dass du ein Taxifahrer im neunzehnten Semester bist, der sich ab und zu als Komparse verpflichtet«, flüsterte ich in sein Ohr.
    »Kleines Fernsehspiel in Hamburg, dass ich nicht lache.«
    Till drehte sich zu mir um. »Kann alles noch kommen«, meinte er und grinste. »Na, kleine Zuckerfee, lass dich umarmen.«
    »Hier sind alle verheiratet, vom Glück verwöhnt und unheimlich erfolgreich. Nur ich nicht«, murmelte ich in seine Jacke.
    »Warum hast du auch allen erzählt, dass ich Taxi fahre?«
    »Das war nicht ich«, sagte ich. »Das war Natalie Hoppe. Sie hat mein Leben zerstört.«
    »Nur weil sie mich als Taxifahrer geoutet hat?«
    »Ach, nein«, sagte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Doch nicht deinetwegen. Da war ein ganz toller Mann draußen an der Bar. Und weißt du, was Natalie dem erzählt hat?«
    »Die Geschichte, wie du eine Kartoffel in den Auspuff ihres ersten schicken Cabriolets gesteckt hast?«
    »Viel schlimmer. Sie hat behauptet, du hättest mich auf dem Damenklo in Bingerbrück in der Jugendherberge entjungfert!« Ich wurde nachträglich noch einmal rot. »Kannst du dir vorstellen, was der jetzt von mir denkt?«
    Till lachte. »Haha, von wegen entjungfert. Hast du denn nicht gesagt, dass du auf diesem Gebiet beinahe krankhaft zurückgeblieben warst? Selbst mit achtzehn wusstest du nicht mal, wo genau du den Tampon reinschieben musstest!«
    »Ich glaube nicht, dass das weniger peinlich gewesen wäre«, sagte ich.
    Tills Freund Ollie stellte sich zu uns. »Hast du noch Urlaub in diesem Jahr?«, fragte er mich.

Ich bejahte.
    »Dann könntest du mit uns in Skiurlaub fahren. Saas Fee, sensationell günstig, erster Novemberschnee.«

    Das klang in der Tat verlockend. »Wie günstig?«, erkundigte ich mich.
    »Fünfhundert die Woche, einschließlich Skipass, Verpflegung und Fahrtkosten«, erklärte Ollie stolz.
    »Wahnsinn!«, sagte ich beeindruckt. »Wie kann das sein?«
    »Vörsaisonpreise«, sagte Ollie. »Wir teilen uns zu mehreren ein schnuckliges Chalet. Till fährt auch mit.«
    »Ach ja?« Till und ich wussten längst nicht alles voneinander. »Und wer noch?«
    Ollie lachte etwas verlegen. »Ein Kollege von mir mit seiner Frau und ein alter Schulfreund von diesem Kollegen. Auch mit Frau und -«
    »Potthässlich«, fiel Till rasch ein. »Deshalb wäre es schön, wenn du mitkämst.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich könnte wirklich mal wieder Urlaub gebrauchen.«
    »Fein!« Ollie strahlte. »Dann sag' ich morgen auf dem Treffen, dass das letzte Bett auch noch vergeben ist.«
    »Morgen trefft ihr euch?«
    »Ja, aber da brauchst du wirklich nicht zu kommen«, sagte Till wieder schnell. »Da geht es bloß um den organisatorischen Kram. Total langweilig.«
    Ich sah ihn misstrauisch an. Irgendwas stimmte doch da nicht. Aber ehe ich der Sache auf den Grund gehen konnte, stieß Nina zu uns.
    »Komm, wir fahren«, sagte sie. »Ich habe alle befragt, die in die engere Wahl kämen, aber von denen ist keiner mehr solo.«
    "Ich bin solo«, sagte Ollie, aber Nina schenkte ihm keinen Blick. Sie wusste, dass er höchstens zweitausend netto verdiente.
    »Suchst du einen neuen Mann, Nina?«, fragte Till.
    »Ja«, erwiderte Nina. »Aber für Felicitas. Sie soll endlich auch ein schönes Leben haben.«
    »Sie hat doch mich.«
    Nina schnaubte verächtlich. »Dich zum Mann zu haben und ein schönes Leben zu führen schließt einander zwingend aus.«
    Till war nicht mal beleidigt. Ich strebte hinter Nina dem Ausgang zu.

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