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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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keine Wönderbras«, ergänzte Nina. Wenn es um Natalie ging, hatte sie schon immer zu mir gehalten. »Komm, Felicitas, wir gehen zu den anderen. Sicher ist auch jemand Nettes gekommen.«
    Der magische Moment war vorüber. Der
    Grünäugige drehte sich um und bestellte noch ein Bier. Natalie folgte uns federnden Schrittes in den Festsaal des Hauses.
    Hier hingen hunderte und aberhunderte von stattlichen Jagdtrophäen an den Wänden, und in der Mitte luden steiflehnige Stühle mit jägergrünen Plastikpolstern um in Hufeisenform gestellte Resopaltische zum gemütlichen Zusammensein ein.
    Die ganze Pracht wurde von meterlangen Neonröhren bis in den allerletzten Krähenfuß ausgeleuchtet. Ich war geblendet und auf der Stelle wieder stocknüchtern.
    »Wirklich tolle Beleuchtung«, raunte ich Nina zu.
    Ihr Lippenstift strahlte wie eine rote Ampel. »Und wie passend wir gekleidet sind!«
    Nina zupfte nervös an ihrem Strassbesatz. »Wo ist hier ein Kellner? Ich möchte um nichts in der Welt nüchtern werden.«
    »Felicitas! Nina!« Das war Caroline Kreuzer, in Jeans und naturweißem Schlabberpulli. Zu dritt hatten wir Biologie-Leistungskurs geschwänzt und stattdessen Skat im Café gegenüber gespielt.
    Caroline hatte sich zumindest äußerlich nicht viel verändert.
    Dankbar setzte ich mich neben sie auf ein grünes Plastikpolster, das sofort eine chemische Verbindung mit meiner Seidenstrumpfhose einzugehen begann. Unter dem Tisch konnte man meine Laufmaschen wenigstens nicht sehen.

    Zu meiner Linken ließ sich ein seriöser bebrillter Herr mit Übergewicht nieder, den ich nie zuvor gesehen hatte. Nina ließ mich einfach im Stich. Sie machte sich auf die Suche nach einem Kellner.
    »Felicitas Trost?«, fragte der seriöse Herr zu meiner Linken.

Ich nickte unsicher.
    »Ulrich Schulze-Reimpel«, sagte er. »Früher Schulze.«
    Ulrich. Drahtig, verwegen, unangepasst, frech, der Albtraum aller Lehrer. Heute verheiratet, zwei Kinder und Beigeordneter im Stadtrat.
    »Du hast dich aber verändert«, sagte ich.
    »Das will ich doch meinen«, sagte Ulrich. »Im Augenblick bauen wir ein Haus in Pesch. Mit Wintergarten und Indoor-Swimmingpool.«
    Ich musste mich abwenden. Caroline auf der anderen Seite war nach der Schule als Au-pair nach Dublin gegangen, hatte einen Iren mit Landgut kennen gelernt und geheiratet.
    »Du Glückliche!«, entfuhr es mir.
    »Ja! Ich habe das Glück festgehalten, als es sich mir bot«, sagte Caroline.
    »Wie meinst du das?«
    »Dem Schicksal«, sagte Caroline doch wahrhaftig,
    »muss man manches zäh abringen.« Sie senkte die Stimme. »Das Schicksal präsentiert einem niemals eine endgültige Lösung, sondern öffnet lediglich Tore und Türen für uns. Ob wir diese Wege betreten oder nicht, liegt dann ganz bei uns.« Caroline machte eine kleine Pause und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Ich habe die Chance genutzt, als ich sie bekam, weißt du. In Form eines Briefes. Möchtest du ihn sehen?«
    »Es ist wohl sehr einsam da, wo ihr wohnt?«, sagte ich
    mitleidig, und da bekam Caroline wieder einen beinahe normalen Gesichtsausdruck.
    »Ja, aber wunderschön«, schwärmte sie. »Wir haben vierzehn Pferde, zwei Hunde und jede Menge Katzen.« Sie legte die Hände auf ihren Schlabberpulli. »Und bald auch ein Kind, in fünf Monaten. Ich bin ja so glücklich. Und alles wegen dieses Briefes. Soll ich ihn dir zeigen? Ich trage ihn immer bei mir!«
    »Gratuliere.« Ich musste mich wieder abwenden.
    Zurück zu Ulrich Schulze-Reimpel.
    »Und was machst du so?«, wollte er wissen.
    »Ich arbeite in einem Verlag in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit«, sagte ich, aber niemand hier war an meiner Karriere interessiert.
    »Und dein Mann?«, fragten Caroline und Ulrich gleichzeitig.
    »Ich bin nicht verheiratet«, sagte ich, und mir war, als hörten im Umkreis von zehn Metern alle zu sprechen auf und schauten mich an.
    »Oh«, sagte Caroline betroffen und machte sich an ihrer Handtasche zu schaffen.
    »Ich bin immer noch mit Till zusammen«, sagte ich schnell.
    »Mit Till Meyer?«, erkundigte sich Ulrich. »Der hat mich und meine Familie neulich mit dem Taxi zum Flughafen gefahren.«
    »Oh«, sagte Caroline wieder. Sie hielt mir einen mehrfach zusammengefalteten Zettel hin. »Das ist der Brief, von dem ich dir erzählt habe, lies mal.«

    »Später.« Ich erhob mich, um mich für ein Weilchen auf dem Klo zu verbarrikadieren. Ich kam nicht weit. Gleich hinter dem Stuhl fingen mich mehrere ehemalige

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