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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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machte. »Die Kollegen teilen Ihre Meinung keineswegs. Im Gegenteil: Man beschwert sich bei mir in einem fort über Ihr Vorgehen.«
    »Wer beschwert sich?«, fragte ich ebenso giftig zurück.
    »Nun, Ihre Kollegen eben«, behauptete Kernig.
    »Ich will hier nicht noch zusätzlich für Missstimmung sorgen, indem ich Namen nenne.«
    Wölf verfolgte unseren Wörtwechsel mit bekümmerter Miene.
    »Ich möchte keinen Streit, bitte«, sagte er. Aber dafür war es jetzt ja wohl zu spät.
    »Frau Stattelmann ist eine langjährige, erfahrene Mitarbeiterin. Sie weiß durchaus, wovon sie spricht, wenn sie Kritik äußert.« Kernig machte ein arrogantes Gesicht.

    »Frau Stattelmann gehört zu den Mitarbeitern, die dazu beitragen, das Betriebsklima erheblich zu verpesten«, sagte ich. »Stellen Sie sich bitte mal vor: Sie hat sich geweigert, mein Büro zu betreten, für den Fall, dass mein Computer abstürzt.«
    »Sie wird ihre Gründe haben«, sagte Kernig.
    »Klaus«, sagte Wolf mahnend. »Wir wollen die Felicitas doch nicht noch mehr vor den Kopf stoßen.
    Wir sind hier, um die Probleme zu lösen, und nicht, um alles noch schlimmer zu machen.«
    »Ich fürchte, da gibt es keine Lösung«, sagte ich.
    »Hier ist zu vieles im Argen, als dass ich noch bleiben wollte. Und schon gar nicht für dieses unglaublich niedrige Gehalt«, setzte ich hinzu.
    »Das ist das höchste Anfangsgehalt, das wir hier jemals bezahlt haben«, sagte Wolf ernst, ohne einen einzigen Zwischenräusper.
    Ich lachte schrill. Natalies Kommunionskleid hatte ungefähr das Doppelte gekostet.
    »Außerdem«, setzte Wolf hinzu. »Außerdem habe ich ja gesagt, dass es bei uns, sagen wir mal so, dass es bei uns nach oben hin keine Grenzen gibt.
    Aber ich denke, es ist besser, wir kündigen dir tatsächlich. Du musst nur bleiben, bis wir eine Nachfolgerin gefunden haben. Das ist das Mindeste, was der Anstand dir vorschreiben sollte.«
    Ich schwieg aufgewühlt.
    »Und jetzt schüttelt ihr beide euch erst mal die Hände«, fuhr Wolf hartnäckig fort. »Händeschütteln und vertragen.«
    Seinen großen, bittenden Kinderaugen war schwer zu widerstehen. Kernig hielt mir seine Hand hin. Ich ergriff sie verlegen und bewegte sie auf und ab. Kernig lächelte schief.
    »Dann ist das also abgemacht«, rief Wölf.
    »Felicitas bleibt vorerst, und Klaus regelt die Angelegenheit mit Frau Stattelmann. Ich möchte, dass die beiden Frauen sich ebenfalls vertragen, und zwar sofort.«
    Kernig und ich erhoben uns gleichzeitig.
    »Streitigkeiten werden in dieser Firma immer gleich aus dem Weg geräumt«, rief Wolf hinter uns her. »Damit Missstimmung gar nicht erst aufkommen kann.«
    Der Mann hatte wirklich ein sonniges Gemüt. Es war
    nicht auszuschließen, dass er das Betriebsklima in seiner Firma tatsächlich für entspannt und angenehm hielt und solche Dinge nicht nur äußerte, um ahnungslose Bewerber zu ködern.
    Vor der Tür sah ich Kernig misstrauisch an. »Und jetzt?«
    »Das wäre doch wohl geklärt«, sagte Kernig.
    »Sehen Sie zu, dass Sie bald eine Nachfolgerin für mich finden«, sagte ich unzufrieden.
    »Sicher, sicher«, sagte Kernig und klopfte an Frau Stattelmanns Bürotüre.
    In unserem Büro lachte Beate mir entgegen.
    »Du musst dich beeilen«, rief sie. »Ich habe Erik schon angerufen. Er wartet bei dir zu Hause auf dich, damit ihr deine Kündigung feiern könnt.«
    »Na ja«, sagte ich. »Sofort werde ich nicht gehen können.«
    »Aber du hast doch gekündigt!«
    »Ich habe versprochen zu bleiben, bis sich eine Nachfolgerin gefunden hat«, sagte ich lahm.

    Beate machte ein schwer enttäuschtes Gesicht.
    »Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich es war, die ge-kündigt hat«, verteidigte ich mich. »Nachdem ich wirklich alles gesagt hatte, was man nur sagen konnte ... Kernig ist jetzt sogar bei der Stattelmann, um uns wieder zu versöhnen.«
    »Wie rührend!«, höhnte Beate.
    »Ja, nicht wahr«, sagte ich unsicher.
    Wir hörten Kernigs Schritte den Flur herunterkommen. Er pfiff vergnügt vor sich hin. Das Gespräch mit der Stattelmann schien einen erfreulichen Verlauf genommen zu haben. Es hatte höchstens vier Minuten gedauert. Na, bitte!
    »Ich bin gespannt, ob die Stattelmann sich bei mir entschuldigt«, sagte ich zu Beate.
    Da hörten wir erneut Schritte den Flur herunterkommen, und gleich darauf baute sich die Stattelmann auf unserer Türschwelle auf. Das sonst so braune Ledergesicht war ganz weiß! Ich fühlte, wie sich mir bei ihrem Anblick die Nackenhaare

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