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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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hinten.
    »Aber ich werde mir auch nichts mehr von Ihnen gefallen lassen, das können Sie mir glauben. Hier kehren jetzt andere Zeiten ein!«
    Da Kernig sich offenbar nicht entschließen konnte, etwas zu der Angelegenheit zu sagen, ließen wir ihn im Schweiße seines Angesichtes sitzen.
    Ich brauchte keine Minute, um meine Sachen zusammenzupacken, aber Beate benötigte etwas mehr Zeit. Sie hatte Bilder an die Wand gepinnt, um ihrer Büroecke eine persönliche Note zu geben, und die Topfpflanzen sowie das Radio gehörten ebenfalls zu ihrem Privatbesitz. Es dauerte eine Weile, bis sie jede ihrer Spuren getilgt hatte.
    Dann war es endlich soweit. Von Wölf Hoppe konnte ich mich nicht mehr persönlich verabschieden, weil er laut Frau Müller-Seitz das Haus bereits verlassen hatte.
    »Und das tun wir jetzt auch«, sagte Beate.
    Nur eines blieb noch zu tun: Mit feierlicher Geste überreichte ich Frau Daubenbüschel zu treuen Händen einen Zettel mit den drei geheimen Codewörtern: TES- SIE, KESSIE und JESSIE.
    »Eine Revolution«, flüsterte Frau Daubenbüschel ehrfürchtig. »Damit werde ich diesen Laden auf Vordermann bringen!«
    Beate brachte mich nach Hause. In unserer Einfahrt standen sowohl der Wagen meiner Eltern samt Skisarg auf dem Dach als auch Eriks

Kleintransporter.
    »Du hast es gut«, seufzte Beate.
    »Komm doch mit rein«, sagte ich. »Dann feiern wir alle zusammen diesen denkwürdigen Tag.«
    Aber Beate wollte das Ereignis lieber allein zu Hause in ihrer Badewanne mit einer Flasche Champagner feiern. Meine Mutter öffnete die Haustüre und umarmte mich, als sei ich drei Jahre fort gewesen.
    »Du bist ja so tapfer«, schluchzte sie. »So ein tapferes Kind!«
    Auch mein Vater sah gerührt aus. »Diese Hoppes sollen mir noch mal kommen, von wegen Efeu entfernen und so«, meinte er grimmig.

    Hinter ihm stand Erik und lächelte breit, so als ge-hörte er bereits zur Familie.
    »Hast du's denen ordentlich gegeben?«, fragte meine Oma aus dem Hintergrund.
    »Ja, Oma«, sagte ich glücklich. »Das habe ich.«
    Meine Eltern hatten Sekt kalt gestellt, und wir stießen auf meine Kündigung an wie auf eine Beförderung. Genau genommen var es ja so etwas Ähnliches.
    »Das ist mal ein netter Junge«, sagte meine Mutter, als Erik gefahren war. »Verdient schon sein eigenes Geld.«
    »Er ist auch sonst nicht übel«, sagte ich.
    Am Abend dieses denkwürdigen Tages rief Nina an.
    »Ich hatte so einen ätzenden Urlaub«, sagte sie.
    »Ach, du bist wirklich zu beneiden, als Single!«
    Ich und Single!!! Die Gute hatte wohl auf dem Mond Urlaub gemacht! Ich beeilte mich, sie auf den neuesten Stand zu bringen.
    »Das glaube ich nicht«, rief Nina.
    »Es ist aber wa-hahr. Oh, was haben wir denn da?«
    Neben Rothenbergers Schlafkissen zwischen Papyrus und Rosmarin hatte ich das
    Marmeladenglas mit meinem Fluch gefunden. Ein wohliger Schauder lief mir über den Rücken.
    »Sicher hat er eine grässliche Mutter, die jeden Samstag zum Kaffeetrinken kommt und seine langen Unterhosen bügelt«, sagte Nina.
    »Nein«, trumpfte ich auf. »Er ist Waise, er bügelt seine Wäsche selber!«
    Nina legte schwer beeindruckt auf. Kaum hatte ich auf die Aus-Taste gedrückt, klingelte es wieder.
    »Hoppe hier, Felicitas, bist du's?«

    »Ja. Tag, Frau Hoppe.«
    »Ich habe gerade erst von meinem Mann gehört, was du getan hast«, sagte Roswitha sanft.
    Ja. Und?
    »Weißt du, mein Mann wollte die Sache ja einfach ruhen lassen, aber ich möchte schon, dass du wenigstens weißt, wie sehr du uns enttäuscht hast!
    Ganz abgesehen von den Kosten, die du verursachet hast.«
    »Eintausendsechshundertdreiundzwanzig Mark und vierundvierzig Pfennige.« Ich drehte das verfluchte Marmeladenglas in meinen Händen hin und her. »Das hat die Firma sicher an den Rand des Ruins getrieben.«
    »Einem neuen Mitarbeiter Vertrauen schenken, ihn einarbeiten und ihm Gehalt zahlen, das kostet immer eine Stange Geld«, sagte Frau Hoppe ungerührt.
    »Und wenn jemand dann einfach geht, ohne sich rentiert zu haben, hat die Firma einen Verlust erlitten.«
    »Das hat sie in der Tat«, sagte ich. »Aber keineswegs finanzieller Art.«
    »Mein Mann ist schwer enttäuscht«, behauptete die Hoppe, »denn das ist noch niemals vorgekommen, dass jemand sich nicht in das Betriebsklima einfügen konnte und gekündigt werden musste.«
    Ich lachte dreckig. »Mit mir haben heute zwei weitere Mitarbeiterinnen gekündigt! Und was das Betriebsklima
    angeht: Ein feindschaftlicheres

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