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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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aufstellten.
    »Frau Trossst«, zischte das Ledergesicht.
    »Einesssss ss- sollten Sssie wisssen!«
    Wie von geheimnisvollen Kräften herbeigerufen, war Anja Reisdorf hinter ihr aufgetaucht, und dahinter sah ich Frau Daubenbüschel stehen.
    Die Stattelmann freute sich über Zuhörer. Sie warf ihre blonden Strähnchen in den Nacken und fuhr mit Bühnenlautstärke fort: »Wenn Sie mit mir nicht klarkommen, würde ich es begrüßen, wenn Sie mit mir persönlich darüber sprechen würden und nicht hintenherum beim Chef schlecht über mich integrieren würden. Ist das klar?«

    Langsam dämmerte mir, dass Kernig der Versuch, uns zu versöhnen, nicht ganz gelungen war. Im Gegenteil. Was immer er gesagt haben mochte, es hatte alles noch viel schlimmer gemacht.
    »Ob das klar ist?«, wiederholte die Stattelmann streng.
    Ich spürte, dass die Blicke aller voller Erwartung auf mir ruhten, dachte an Erik und an meine Eltern und riss mich zusammen.
    »Liebe Frau Stattelmann«, sagte ich und versuchte meiner Stimme jenen sanften, sicheren Klang zu verleihen, der mich bei Kernig immer auf die Palme trieb. »Wir wissen doch beide, dass nicht ich mich über Sie beschwert habe, sondern Sie sich über mich. Und zwar hintenherum. Das nennt man in-tri-gie-ren. Sollen wir uns trotz
    dem nicht einfach wieder vertragen und die ganze lächerliche Geschichte vergessen?« Ich lächelte vorsichtig.

Die Stattelmann wollte aber nicht.
    »Für Sie mag das lächerlich sein«, zischte sie,
    »aber für mich nicht. Ich lasse mir von einer wie Ihnen doch nichts vorschreiben!«
    »Sie müssen sich ja auch nichts vorschreiben lassen«, sagte ich begütigend. »Ich bin sowieso bald weg hier. Aber wir könnten diese letzte Zeit einfach besser zusammenarbeiten, wenn wir die alberne Sache vergessen. Ich weiß nicht mal genau, weswegen Sie so schlecht auf mich zu sprechen sind. Trotzdem - ich bin nicht nachtragend.«
    »Sie vielleicht nicht, aber ich«, erwiderte die Stattelmann kalt. »Und ich muss auch nicht-mit Ihnen kondolieren. Ich bin jetzt zwanzig Jahre im Betrieb, und der Chef weiß sehr wohl, was er an mir hat. Sie brauchen nicht zu denken, dass ich mich ändere, nur weil Sie jetzt daherkommen und sich wer weiß was darauf einbilden, dass Sie studiert haben!«
    »Minderwertigkeitskomplexe?«
    »Ha, dass ich nicht lache!«, rief die Stattelmann.
    »Ich und Minderwertigkeitsdings wegen einer wie Ihnen! Ich lass mich nur nicht von Ihnen herummaniküren wie ein Hampelmann. Hier werden Sie nur über meine Leiche was ändern, das sage ich Ihnen!«
    Die Stattelmann als Leiche war eine so verlockende Vorstellung, dass ich plötzlich genau wusste, dass ich hier keinen einzigen Tag länger bleiben durfte, schon in Frau Stattelmanns Interesse.
    »Wissen Sie was?«, rief ich. »Sie haben Recht. Sie arbeiten seit zwanzig Jahren in diesem antiquierten Laden, schikanieren die Leute und verpesten das Betriebs
    klima. Und von mir aus können Sie das auch noch die nächsten zwanzig Jahre tun. Aber ich - ich gehe jetzt!«
    »Richtig so«, sagte Beate erleichtert.
    »Bravo!«, rief die Daubenbüschel, und »Ich gehe auch«, sagte Anja Reisdorf.
    Es war besser als im Film! Ich fühlte mich wunderbar. Lässig schob ich die Stattelmann zur Seite und marschierte an ihr vorbei in Kernigs Büro. Die Türe stand wie immer offen.
    »Sicher haben Sie mitbekommen, was sich soeben abgespielt hat«, sagte ich zu ihm.

    Er machte einen erschreckten Eindruck, sagte aber nichts.
    »Und sicher verstehen Sie auch, dass ich deshalb keine Verpflichtung mehr sehe, meine
    Zugeständnisse Ihnen und Herrn Hoppe gegenüber einzulösen«, fuhr ich fort. »Wenn Sie nicht in der Lage sind, sich an die Abmachungen zu halten, dann sehe ich mich dazu ebenfalls nicht gezwungen. Wie Sie eine Nachfolgerin finden und einarbeiten, ist ab jetzt Ihr Problem. Ich werde meine Sachen zusammenpacken und gehen.«
    »Ich auch«, sagte Anja, die mit Beate hinter mir in der Türe stand. »Ich hab's satt, hier Ihren Knecht zu spielen und Ihre ätzenden Launen zu ertragen.«
    »Ich gehe auch«, setzte Beate hinzu.
    Kernig gab immer noch keinen Mucks von sich.
    »Vielleicht übernimmt ja Frau Stattelmann einen Teil unserer Arbeit«, schlug ihm Beate vor. »Sie kommen doch so wunderbar mit ihr aus.«
    Kernig schwieg eisern. Aber man sah deutlich, wie sich kleine Schweißtröpfchen auf seiner Stirnglatze bildeten und langsam auf die Augenbrauen zurollten.
    «Ich gehe nicht«, rief Frau Daubenbüschel von

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