Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
legte auf, damit die Leitung für Erik frei war.
    Ich schrieb noch am gleichen Abend
    fünfundzwanzig Bewerbungen. Die ganze Zeit lag das Telefon neben mir.
    Aber Erik rief nicht an.

Die siebzehnte Gelegenheit
    »ER HAT NICHT angerufen«, sagte ich zu Beate.
    »Vielleicht traut er sich nicht mehr«, meinte Beate.
    »Er muss doch denken, dass du ihn für einen Kretin hältst. Du kannst ja auch anrufen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht liebt er immer noch diese Britt. Ich würde es jedenfalls nicht überleben, den ersten Schritt zu tun und dann einen Korb zu bekommen.«
    »Lieber Himmel«, sagte Beate. »Den ersten Schritt habt ihr doch längst hinter euch!«
    Ich war den Tränen nahe.
    »Vielleicht könntest du einen ganz einfachen Zauber ausprobieren«, schlug Beate vor. »Wirklich ganz einfach.«
    »Und welchen?« Ich war zu allem bereit.
    »Du musst den Namen des Geliebten fünfmal vor dich hinsprechen, und zwar rückwärts und mit aller Konzentration. Das machst du mehrmals am Tag. Du wirst sehen, es funktioniert. Spätestens heute Abend wird er sich bei dir melden.«
    Ich schloss die Augen. »Kire, kire, kire«, sagte ich laut, »kire, kire!«
    Beim letzten Kire öffnete sich die Tür.

Erwartungsvoll blickte ich auf.
    »Guten Morgen«, sagte Herr Kernig. Das hatte er schon ewig nicht mehr gesagt. Beate und ich waren so verblüfft, dass wir nichts erwiderten.
    »Frau Trost, heute kommt ein sehr wichtiger Kunde zu uns ins Haus, um eine große Bestellung zu platzieren«, sagte Kernig. »Ich möchte, dass Sie dabei sind, als meine Assistentin.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Herr Wierig kommt um elf«, fuhr Kernig fort.
    »Seien Sie bitte so gut und decken Sie bis dahin den Tisch im Vorführraum? Und um den Kaffee kümmern Sie sich bitte auch.« Er musterte mich -
    wohlwollend. »Bis elf dann! Und, ach ja - würde es Ihnen wohl etwas ausmachen, das Haar offen zu tragen? Herr Wierig ist ein echter Fan von langen blonden Haaren.« Dabei lachte er ohne jede Verlegenheit.
    »Um elf dann«, wiederholte er und verschwand.
    »Habe ich das jetzt geträumt oder ist das wirklich passiert?« Ich tastete nach dem Gummiband, das meinen Pferdeschwanz zusammenhielt. »Ich soll mein Haar offen tragen, weil der Kunde auf langhaarige Blondinen steht. Was haben ein Gewehr und eine Blondine gemeinsam?«
    Beate blieb ungerührt. »Herr Wierig von Mit dem Pony per du, einem Riesenladen mit über dreißig Filialen in Österreich und Ungarn, der wird dir gefallen. Er tastet in diesem Haus nicht nur die Waren ab. Deine Vorgängerin war leider nicht sein Typ. Sie war ihm zu groß und zu muskulös und ihre Kordhosen nicht gefühlsecht genug. In den Monaten, wo sie hier gearbeitet hat, ist der Umsatz mit Mit dem Pony per du daher um die Hälfte zurückgegangen. Herr Wierig heißt hier im Haus nur Herr Schmierig - und wenn du dich beeilst, kannst du vor elf Uhr gekündigt haben.«
    Ich eilte stehenden Fußes in Frau Müller-Seitz'
    Büro.
    »Schön, dass Sie wieder da sind«, sagte ich ehrlich.
    Die Saalbach als Vertretung war entschieden das größere Übel.
    »Lassen Sie mich raten: Ihr Computer ist abgestürzt, und Frau Stattelmann wollte Ihnen nicht helfen«, sagte die Müller-Seitz säuerlich.
    »Falsch«, entgegnete ich. »Mit meinem Computer ist alles in Ordnung. Ich brauche einen Termin bei Herrn Hoppe, und zwar sehr, sehr dringend.«
    »Heute ist er den ganzen Tag nicht im Hause.« Die Müller-Seitz schlug den Tischkalender auf. »Den letzten Termin haben Sie übrigens auch nicht wahrgenommen.«
    »Ich muss spätestens bis morgen früh mit ihm gesprochen haben!«
    Die Müller-Seitz lächelte schmallippig. »Passt es Ihnen nächsten Dienstag?«
    »Morgen früh, spätestens«, wiederholte ich hart.
    »Ich kann Ihnen nur den Dienstag anbieten.« Die Müller-Seitz lächelte jetzt eindeutig schadenfroh.
    Ich nahm den Kalender kurzerhand vom Tisch.
    »Morgen früh«, korrigierte ich. »Um neun.«
    »Das geht aber nicht«, sagte die Müller-Seitz und versuchte, mir den Kalender wieder zu entreißen.
    Obwohl ich ihn nur mit einer Hand festhielt, hatte sie keine Chance. Der Kalender wackelte nicht mal.
    Jetzt war ich hier der Terminator!
    »Um neun«, sagte ich und trug mit der freien Hand meinen Namen ein. Felicitas Trost, »wichtige Besprechung« schrieb ich, reichte der Müller-Seitz den Kalender zurück und warf meine Haare in den Nacken.
    »Bis morgen dann«, sagte ich.
    Herr Wierig von Mit dem Pony per du kam eine halbe Stunde zu

Weitere Kostenlose Bücher