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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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allesamt Weihnachten bei ihren Familien verbringen, denn er würde reinkommen und er wäre so viel wert wie sechs von ihnen.
    Er kehrte nun in sein Büro zurück, öffnete das riesige Glas eingelegter Walnüsse, das er am Morgen in einer seiner Socken gefunden hatte, schenkte sich einen gesunden Schluck aus der Flasche Highland Park ein, die in der anderen gesteckt hatte, und ließ sich mit
Die letzten Tage von Pompeji
nieder, während sein Funkgerät im Hintergrund sanft vor sich hin plapperte. Die Minuten vergingen, Seiten wurden umgeblättert, der Whisky und die Walnüsse schwanden, und das Funkgerät verkündete, wie vorhergesagt, die Ausbreitung des fröhlichen Weihnachtschaos, je weiter es majestätisch auf die Ansprache der Queen zuging.
    Das Chaos hatte sich bislang auf den »häuslichen« Bereich beschränkt, was hieß, dass bislang nur Schürf- und Schnittwunden und gelegentlich ein Beinbruch gemeldet wurden, was alles in die angestammten Jagdgründe der Uniformierten fiel, die von Minute zu Minute mehr beansprucht wurden.
    Dann, wie ein Fisch am Angelhaken, spürte der Dicke, wie seine Aufmerksamkeit vom Kampanien des ersten nachchristlichen Jahrhunderts ins Mid-Yorkshire des einundzwanzigsten Jahrhunderts gerissen wurde.
    »Ruhestörung im Church View House, Peg Lane. Gemeldet von einer Mrs. Gilpin, Apartment vierzehn. Klingt mal wieder nach einem Besoffenen. Kann das jemand aufnehmen?«
    Dalziel legte das Buch zur Seite, packte sich das Funkgerät und sagte: »Tommy, die Sache in der Peg Lane, die übernehme ich.«
    »Sie?« Der Sergeant konnte seine Überraschung nicht verbergen. »Ist doch nur Ruhestörung, Sir …«
    »Ich weiß, aber es ist die Zeit der Gefälligkeiten, und ich hör doch, dass eure Jungs ein wenig überlastet sind. Also übernimmt das CID das. Es sei denn, ihr seid zu stolz dafür …«
    »Nein, nein, Sir. Die Sache gehört Ihnen, gern!«
    Dalziel schaltete aus und bellte: »Bowler!«
    Fünf Sekunden später erschien Hat an der Tür, durch die Dalziel gerade stürmte.
    Hat sprang zur Seite und stürzte dem Dicken hinterher, der die Treppe hinabraste.
    »Sir«, keuchte er. »Was ist los?«
    »Wahrscheinlich nichts, aber ich kann ein wenig frische Luft vertragen. Du fährst.«
    Im Wagen fragte Hat: »Wohin?«
    »Peg Lane.«
    »Peg Lane? Da wohnt Rye!«
    »Aye. Und zum Church View, da wollen wir hin. Ruhestörung. Gemeldet von deiner Bekannten Mrs. Gilpin. Und ich frage mich, ob der Ruhestörer nicht unser alter Freund Charley Penn sein könnte. Mein Gott, Bursche, das ist die Stadt, in der ich wohne, nicht Le Mans!«
    Hat hörte ihn nicht. Er schickte den Wagen durch die dankenswerterweise leeren Straßen und erinnerte sich an seine wilde Fahrt einige Monate zuvor, als er Rye zu Hilfe geeilt war. Konnte ein Blitz zweimal einschlagen? Konnte der zweite Anschlag tödlich sein …?
    Die Peg Lane lag relativ zentral, sodass die Fahrt keine fünf Minuten dauerte, die Hat jedoch wie eine Stunde vorkamen. Die schmale Straße zwischen den terrassenförmig angelegten Häusern und der Kirche aus dem achtzehnten Jahrhundert, die Ryes Gebäude den Namen gegeben hatte, lag so ruhig da, als sei sie eine ungenutzte Filmkulisse. Würde man die geparkten Autos entfernen, hätte man eine Episode aus
Emma
drehen können.
    Oben ging ein Fenster auf, eine Frau mit einer gelb-roten Papiermütze auf dem Kopf lehnte sich heraus und sagte: »Ich komm nicht raus. Es ist jetzt sehr ruhig, aber er ist noch nicht fort.«
    »Wer?«, wollte Dalziel wissen.
    »Er. Der Verrückte, nach dem Ihr Bursche schon mal gefragt hat.«
    Sein Bursche, fiel Dalziel auf, war bereits im Gebäude verschwunden.
    Mit einem milden Fluch über die Impulsivität der Jugend folgte Dalziel.
    Auf flachen Kurzstrecken stellte sein massiger Körper keinerlei Geschwindigkeitsbeeinträchtigung dar, bergauf allerdings ließ er es ruhiger angehen und achtete darauf, nicht auf dem letzten Loch pfeifend wie ein ausgeleierter Dudelsack anzukommen.
    Auf dem ersten Treppenabsatz legte er eine Pause ein. Über sich hörte er ein Klopfen wie einen Donnerhall und Bowlers brüllende Stimme. »Rye! Rye! Bist du da?«
    Leicht ächzend setzte er seinen Aufstieg fort.
    Als er den nächsten Treppenabsatz erreicht hatte, sah er Charley Penn an der Wand neben der Tür kauern, von der Bowler wie ein zerquetschter Squashball wiederholt abprallte. Da er fürchtete, Penn sei von Bowlers Fäusten in diese Stellung gebracht worden, packte er den ergrauenden

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