Die Launen des Todes
nichts an.«
»Nein? Lass mich raten.«
Es war nicht schwierig. Penns Mutter (ursprünglicher Name Penck) lebte in einem aus reinem Wohlwollen zur Verfügung gestellten Cottage auf Lord Partridges Anwesen Haysgarth. Ihrer Meinung nach habe ihr Sohn seine teutonische Herkunft verraten, wohingegen er ihre Kratzfüße und Bücklinge gegenüber den Partridges verachtete.
»Du hattest«, fuhr Dalziel fort, »draußen auf Haysgarth eine gute alte traditionelle
Weihnacht
bei deiner guten alten traditionellen
Mutti
verbracht, aber weil du nicht mit ansehen wolltest, wie sie vor Budgie Partridge einen Kotau nach dem anderen hinlegt, und weil dir ihr Gerede auf die Nerven ging, wie sehr dein Dad in seinem Grab herumeiern würde, wenn er mit ansehen müsste, wie sein Sohn zu einem Engländer geworden ist, musstest du dir mit Schnaps oder einem anderen Fusel die Birne zuknallen. Dann bist du hierher, um andere mit deinem Weltschmerz zu beglücken. Wir werden uns nicht damit befassen, wie du hierher gekommen bist, aber wenn mir was zu Ohren kommen sollte, dass zwischen hier und Haysgarth Leichen rumliegen, menschliche oder tierische, dann werde ich deinen Bauch als Trampolin benutzen, bis du deine Rippen auskotzt. Wie hört sich das an, Charley?«
»Nette Geschichte, leider lässt der Stil zu wünschen übrig. Andy, wenn ich nicht verhaftet bin, dann gehe ich jetzt, bevor ich mir hier in der Kälte den Tod hole.«
»Solange dir klar ist, dass das niemanden auch nur die Bohne interessiert, Charley, außer vielleicht deine Verleger, und die denken auch nur an ihren Profit. Sogar deiner alten
Mutti
würde dabei wahrscheinlich nichts anderes einfallen, als dich in einen von diesen toten Kraut-Helden zu verwandeln, mein Sohn, der teutonische Barde, der jetzt irgendwo in Walhalla sitzt und den Göttern ein Abendständchen singt. Das macht ihr gefühlsduseligen Krauts doch mit euren Toten? Wenn sie zu tot sind, um sich noch zu wehren, verwandelt ihr sie in etwas, was sie nie waren. Hoffentlich geht dir das jetzt endlich in deine dicke Nudel, Charley: Dein Kumpel Dick Dee war ein kranker, bösartiger Dreckskerl, und wenn dir das nicht in den Schädel will, dann solltest du lieber hier draußen bleiben, bis du dir eine Lungenentzündung einfängst und ihn selber fragen kannst.«
Penn zitterte und zog seine Jacke enger um sich.
»Bist du jetzt fertig?«, sagte er.
»Vorerst.«
»Gott sei Dank. Was ist los mir dir, Andy? Ich hab dich immer als grobschlächtig und gewalttätig eingeschätzt. Aber nie als weitschweifig. Ich sag dir, was ich mir denke. Du bist ein viel zu schlaues Mastschwein, um zu wissen, dass du mit deinem Gegrunze bei mir nicht weit kommst. Wen willst du mit den vielen Worten also überzeugen? Vielleicht dich selbst? Machst du dir Sorgen, was passiert, falls eines schönen Morgens die Wahrheit durch den Briefkastenschlitz geschoben wird? Oder nicht
falls.
Sondern
wenn!
Halt die Augen offen, Andy. Halt die Augen offen. Und jetzt hau ich ab. Verdammt frohe Weihnachten noch.«
Er drehte sich um und überquerte schwankend die Straße. Als er die kleine Hinterpforte erreichte, die zum gegenüberliegenden Friedhof führte, drückte er sie auf, hob zum spöttischen Abschied die rechte Hand, ohne sich umzublicken, und verschwand zwischen den Grabsteinen.
Dalziel stand kurz nachdenklich da, schüttelte dann den Kopf, als wollte er eine Biene abschütteln, sah auf seine Uhr, beugte sich in den Wagen hinein und lehnte sich auf die Hupe.
Oben hörte Hat den Lärm und konnte sich denken, wer der Auslöser dafür war.
Das Gleiche tat Rye. »Beeil dich mal lieber«, sagte sie.
»Keine Sorge«, sagte Hat tapfer. »Er kann warten, bis ich weiß, dass du okay bist.«
Sie sah besser aus, war aber noch immer sehr blass. »Mir geht’s gut, wirklich«, sagte sie.
»Du siehst nicht aus, als ob’s dir gut ginge. Hast du irgendwas zu essen da?«
»Woran denkst du? Truthahnbraten samt Beilagen? Nein danke.«
»Ich könnte dir schnell …«
Er hielt inne, während er in Gedanken sein begrenztes kulinarisches Repertoire durchging.
Erneut ertönte die Hupe.
»Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, dass ich Bowlers Junggesellenküche vertrage«, sagte Rye. »Geh schon.«
Er zögerte noch immer. An der Tür klopfte es. Als er sich umdrehte, sah er sich Myra Rogers gegenüber. Er war ihr in den vergangenen Tagen einige Male begegnet. Rye schien sich mit ihr angefreundet zu haben, und Hat war froh, dass sie eine Nachbarin
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