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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Als wir daher auf ein in ihrem Fall kühlendes und in meinem Fall wärmendes Getränk zum Chalet zurückkehrten, plauderten wir wie eine Kinderschar.
    Es stellte sich heraus, dass sie alle an der Internationalen Schule in Straßburg unterrichten. Zazie ist (raten Sie!) Französin, Hildi stammt aus Österreich, und Mouse ist, natürlich, Engländerin, aber sie sprechen alle fließend die Sprachen der anderen und sind, soweit ich das feststellen kann, ziemlich erfahren in einer Reihe weiterer Idiome. Zazie ist die bei weitem Bezauberndste, voller Lebendigkeit und natürlicher Anmut, ganz entschieden das Mädchen, das man auf einen Ball ausführt. Hildi ist stämmig und muskulös. Ich vermute, sie verpasst nie ihr tägliches Fitnessprogramm, und von ein oder zwei Dingen, die ich aufgeschnappt habe, erfuhr ich, dass sie eine erstklassige Skilangläuferin ist. Sollte ich mich in einem Blizzard verirren, würde ich mir wünschen, dass Hildi mich suchen kommt! Und was Mouse anbelangt, nun, sie ist nicht hübsch, ganz gewiss nicht. Sie ist schlicht schlicht, besitzt viele Züge ihrer Mutter, allerdings nichts von deren an eine Domina gemahnende Schärfe, die einen erotischen Schauder auslösen kann. Und sie ist beinahe so furchtsam, wie ihr Spitzname es nahe legt. Ich bin überzeugt, dass sie hervorragend mit kleinen Kindern umgehen kann, wahrscheinlich waren es meine Albernheiten auf dem See, die es ihr ermöglichten, sich in meiner Gegenwart zu entspannen.
    Es scheint, dass sie hier mit der Gesellschaft ihrer Mutter Weihnachten verbringt, während ihre Freundinnen lediglich auf einige Tage vorfestlichen Frohsinns mitgekommen sind. Es sorgte für einige Heiterkeit, dass Lindas Zustimmung zu ihrem Besuch mit der Warnung versehen wurde, nicht den Gast im Chalet zu stören, den sie sich als altertümlichen Scholaren vorstellten, der, jeder Gesellschaft überdrüssig, nur an seinen Büchern interessiert sei und absolute Stille benötige.
    Nun, während der nächsten Tage herrschte kaum Stille, der Gesellschaft war viel, des Scholarentums wenig, doch machte ich mir ihre linguistischen Fertigkeiten zunutze. Ich zeigte ihnen die Kapelle und erklärte mein Interesse. Hildi, die sich nicht oberflächlich, sondern wirklich für alte Dinge interessierte, meinte, ich solle Frau Buff fragen, und bot sich als Dolmetscherin an. So zogen wir alle los, um unsere Kastellanin in ihrer Stube aufzusuchen. Buff verfügte über ein umfangreiches, wenngleich anekdotisches Wissen zur Familiengeschichte, das sie uns freimütig mitteilte, als sie uns auf eine Burgbesichtigung einlud, die auch durch die ungenutzten Zimmer führte, welche mehr als die Hälfte aller Räumlichkeiten ausmachten.
    Johannes Stimmer (so erzählte sie uns), der Begründer des Familienvermögens, war ein Söldner, der aufgrund seines militärischen Talents rasch aufstieg und dem der schwierige Balanceakt gelang, sowohl beträchtlichen Reichtum zu scheffeln als auch die vielen politischen Umwälzungen des Landes zu überleben und sich im letzten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts seinen Ruf als radikaler Sozialreformer zu bewahren. Nach Waterloo beschloss er aus Status- und Sicherheitsgründen, es sei an der Zeit, dass die Familie einen eigenen befestigten Wohnsitz habe. Er erwarb daher die Fichtenburg, deren vormaligen Besitzern es gelungen war, auf jedes falsche Pferd zu setzen, das in den zurückliegenden fünfzig Jahren durch die Schweiz galoppiert war. (Seine Nachfahren hatten sich so weit von den radikalen Anschauungen des alten Joe entfernt, um in Lindas Freundeskreis aufgenommen zu werden, bemerkte ich gewitzt, worauf Mouse zu meiner Freude lachte.)
    Frau Buff lieferte auch zwei Erklärungen für den Namen
Blutensee
. Zum einen fallen zu einer bestimmten Jahreszeit die letzten Strahlen der untergehenden Sonne so auf das Wasser, dass dieses sich rot färbt. Zum anderen wurde im vierzehnten Jahrhundert während der lang anhaltenden Unabhängigkeitskämpfe gegen die Habsburger die Burg von einem marodierenden Trupp aus Leopolds Kavallerie überrascht, als Hochzeitsfeierlichkeiten im Gange waren. Die Soldaten massakrierten jeden, dessen sie mit dem Schwert habhaft werden konnten, und warfen die Leichen in den See. Natürlich ziehe ich (wie sicherlich auch Beddoes) die letztere Erklärung vor!
    Als wir durch einen der nicht benutzten Räume gingen, dessen Wände mit düsteren alten Ölgemälden behängt waren, musste mir aus den Augenwinkeln heraus etwas aufgefallen sein,

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