Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
mich mit meinen Problemen wenden kann, obwohl ich manchmal befürchte, dass mein Glück auf Ihrem Pech beruht. Was ich meine, ist, dass ein Mann Ihrer Fähigkeiten und Ihrer Liebenswürdigkeit in den Jahren seit unserem ersten Zusammentreffen seine Schwingen ausgebreitet und weit querfeldein geflogen wäre.
    Fühlen Sie sich bitte nicht gekränkt. Ich will Ihre Leistungen nicht schmälern. Für viele Polizisten in Ihrem Alter wäre der Rang eines Detective Chief Inspector eine achtbare Errungenschaft. Im Syke genossen Sie ein sehr niedriges (sprich: hohes!) Ansehen; sie galten als ein cleverer, scharfsichtiger Zeitgenosse, jemand, der nicht leicht zu hintergehen ist und bei dem es Zeitverschwendung wäre, ihn zu bestechen! Ihre einzige bekannte Schwäche ist, dass Sie zögern, Abkürzungen zu nehmen. Nicht dass man Sie für weich gehalten hätte. O nein. Hart wie Stahl, als das galten Sie, und ein Terrier, wenn Sie sich einmal festgebissen haben. Niemand könnte das besser beurteilen als ich selbst.
    Zu den innigsten Wunschvorstellungen des Verbrechertums von Mid-Yorkshire gehörte, dass Sie bald abheben und Platz machen würden für jemanden, der formbarer wäre. Ich bezweifle, ob damals jemand Geld auf Sie gesetzt hätte, dass Sie nach diesen vielen Jahren immer noch Ihre gegenwärtige Position bekleiden.
    Also, warum ist das so?, frage ich mich.
    Könnte es sein, dass Sie wie ein eleganter Schoner, der im Lee eines riesigen, von Gefechten gezeichneten Schlachtschiffes segelt, von den stürmischen Unbilden geschützt wurden, Ihnen gleichzeitig aber auch aller Wind aus den Segeln genommen worden war? Mit anderen Worten, hat das Gute Schiff Dalziel Sie auf die eine oder andere Art an Ihrer freien, geschwinden Fahrt gehindert, die Ihnen alle vorhergesagt haben?
    Damit soll keine versteckte Kritik am lieben Superintendent zum Ausdruck gebracht werden. Welchen Zweck hat es denn, dem großen Moloch im Hinterhalt aufzulauern? In den Fantasien des Verbrechertums Mid-Yorkshires ist er, was Sie nicht überraschen dürfte, der Staatsfeind Nummer eins, der Himmelhund, jener, den man am liebsten hasst.
    Ach, lieber Freund, lassen Sie es nicht länger mehr zu, dass Sie in dessen gewaltigen Schatten verborgen bleiben. Seien Sie stattdessen der schnelle Falke, der auf den Schultern des mythischen Vogels Roch sitzt, dessen mächtige Fittiche ihn so hoch wie möglich tragen – und der dann endlich ins blaue Empyrium vorstößt!
    Ich fürchte, ich habe mich durch meine Leidenschaft zu Impertinenz und, schlimmer noch, zu Euphuismus hinreißen lassen. Verzeihen Sie. Ich werde diesen Brief nicht eher absenden, bis ich mit mir ausgemacht habe, ob ich das Recht besitze, mit Ihnen so frank und frei reden zu dürfen, wie es mein Herz ersehnt.
    Freitag, 21. Dezember
    Ich weiß nicht, ob ich mir dieses Recht verdient habe; falls nicht, muss ich es auf Kredit erwerben, denn erneut bin ich in aufgewühlter Stimmung und stelle fest, wie ein Süchtiger, der sich seiner Lieblingsdroge zuwendet, dass meine Hand nach dem Stift greift.
    Kehren wir zu jenem ersten Tag auf der Fichtenburg zurück.
    Ich war nicht lange allein, um über Emeralds Nicht-Ankunft zu sinnieren. Am frühen Nachmittag klopfte es an meiner Tür. Die Mädchen waren heruntergekommen, um auf dem See Schlittschuh zu laufen, der, wie ich erst jetzt bemerkte, im Lauf des Morgens vom Schnee befreit worden war. Wie reich muss man sein, um sich so viele lautlose dienstbare Geister leisten zu können, die sich um das Wohlergehen ihrer Herren kümmern! Schüchtern fragten die Mädchen an, ob ich was dagegen hätte, wenn sie die Veranda des Chalets dazu benutzten, um die Schlittschuhe anzulegen. Selbstverständlich sagte ich, nein, natürlich habe ich nichts dagegen, fühlt euch wie zu Hause. Dann meinten sie, sie hätten ein übriges Schlittschuhpaar mitgebracht, ob ich nicht mitmachen wollte? Ich laufe nicht Schlittschuh, erwiderte ich. Und sie giggelten wie Yum-Yum, Pitti-Sing und Piep-Bo und sagten, es sei doch kinderleicht.
    War es nicht! Aber es machte einen Heidenspaß. Sie waren alle ziemlich geübt und wechselten sich darin ab, mich zu unterweisen und, wichtiger noch, zu stützen, während die beiden anderen jeweils mit vitaler Eleganz herumsausten. Es gibt nichts Besseres, als sich selbst zum Narren zu machen, um zwischen jungen Leuten das Eis zu brechen (was nicht ganz wörtlich zu nehmen ist), auch fühlt man sich niemals jünger, wenn man sich
in statu pupillari
befindet!

Weitere Kostenlose Bücher