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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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denn an der Tür drehte ich mich noch einmal um und ließ meinen Blick erneut über die Bilder schweifen.
    Und dort hing sie, eine Bleistift- und Tuschezeichnung von bescheidener Größe, die drei junge Männer in elisabethanischem Wams und Hosen zeigte, im Hintergrund ein Gebäude, das an die verfallene Kapelle erinnerte.
    Zwei Dinge stachen mir ins Auge. Als Erstes der Name des Künstlers, der schlicht und eher undeutlich in die linke untere Ecke gekrakelt war. Er lautete
G. Keller.
    Nun, der einzige Keller, von dem ich je gehört habe, ist der Gottfried dieses Namens, der Schweizer Schriftsteller. Sie kennen vielleicht seinen autobiographischen Roman
Der grüne Heinrich
, dessen Held sich wie Keller selbst zum Künstler ausbildet, letztendlich aber, als er erkennt, dass es ihm an wirklichem Talent mangelt, sich der Literatur zuwendet. Nun, falls das G für Gottfried stand, bezeugte das Bild, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte! Interessanter aber war, dass Beddoes, wie ich mich erinnerte, mit Keller bekannt war, der dessen radikale Ansichten teilte, und dass, laut Gosse, Thomas in Begleitung Kellers von Zürich nach Aargau geflohen war.
    Das Zweite, was mir auffiel, war die Figur links, eine schmächtige Gestalt mit ovalem Gesicht und großen braunen Augen, die den Betrachter mit einem spöttisch grinsenden Ausdruck bedachten.
    Es ist nur ein Porträt von TLB bekannt, ein Gemälde von einem gewissen Nathan Branwith, das den achtzehn- oder neunzehnjährigen Tom zeigt. Das Original ist verschwunden, nur eine Fotografie davon existiert noch. Sie zeigt ein introvertiertes Gesicht mit, wie man uns versicherte, großen, klaren, entschieden braunen Augen, die mit einem zwischen natürlicher Reserviertheit und überdrüssigem Skeptizismus changierenden Ausdruck in die Welt hinausstarren. Und das, was ich hier sah, ich schwöre es, war das gleiche Gesicht!
    Also, drei junge Männer, die sich mit Theaterspielen die Zeit vertrieben (führten sie eines von Beddoes’ Stücken auf?, fantasierte ich) und dabei für immer festgehalten wurden, nicht, wie es ein Jahrhundert später der Fall gewesen wäre, von jemandem, der auf seine Kodak drückte, sondern vom zeitgenössischen Äquivalent, einer schnellen Skizze, die später zu dem vor mir hängenden Bild ausgearbeitet wurde.
    Ich war hellauf begeistert. Ich nahm mir vor, Linda zu bitten, mir von ihren Freunden die Erlaubnis zur eingehenden Untersuchung des Bildes zu besorgen, und dann, mit dem rechtschaffenden Gefühl, dass ich mich doch nicht gänzlich von meiner Aufgabe hatte ablenken lassen, widmete ich mich wieder der sehr viel interessanteren Beschäftigung, die beste Zeit meines Lebens zu genießen, die mir meine neuen Freundinnen zu bereiten entschlossen waren.
    Wie weit ihre Entschlossenheit gehen würde, sollte ich bald herausfinden. Es geschah am dritten Tag unserer Bekanntschaft.
    Die Mädchen hatten nach ihren
Après-Schlittschuh
-Drinks das Chalet verlassen. Ich stand gerade unter der Dusche, als ich jemanden im Hauptraum rufen hörte. Ich wickelte mir ein Handtuch um und ging hinaus. Dort stand Zazie. Sie sagte, sie habe ihre Handschuhe vergessen, die wir ohne langes Suchen fanden. Dann sah sie mich an, seufzte neidisch und meinte, liebend gern würde sie ebenfalls eine wirklich heiße Dusche nehmen, doch der Boiler in der Burg spiele verrückt und das Wasser käme nur lauwarm. Unsicher, wie ich dies aufzufassen hatte, sagte ich, sie sei gerne eingeladen, meine zu benutzen, nachdem ich fertig sei, ich würde nicht mehr lange brauchen. Ich kehrte in die Dusche zurück, einen Augenblick später waren alle Ungewissheiten geklärt, als hinter mir die Glastür aufgeschoben wurde und Zazie eintrat.
    Keine Einzelheiten, ich möchte nur sagen, dass ich mein ursprüngliches Urteil, ich hätte es mit Mädchen zu tun, die im Leben nicht sehr erfahren seien, zumindest in ihrem Fall sehr schnell revidierte.
    Keinen Schaden angerichtet, dachte ich später, dafür viel Vergnügen gehabt. Zazie würde wie Hildi in ein oder zwei Tagen abreisen und Weihnachten bei der Familie verbringen. Wahrscheinlich würde ich sie nie wiedersehen, alles, was mir (und auch ihr, so hoffte ich) blieb, war die glückselige Erinnerung an eine lebhafte, für zwei Spieler arrangierte Gigue! Und wenn es ihr so gut gefallen hatte, dass sie eine Reprise wünschte, würde ich ihr mit Freuden mein Instrument wieder zur Verfügung stellen.
    Das war gestern. Heute freute es mich, dass Zazie

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