Die Launen des Todes
keinerlei postkoitale Besitzansprüche geltend machte, die in unser harmonisch aufeinander abgestimmtes Quartett einen Misston gebracht hätten. Aber, fragte ich mich, als ich mich am Nachmittag zu meiner Dusche vorbereitete, blieb es nun bei der einmaligen Aufführung?
Dann hörte ich im Nebenzimmer ein Geräusch, beschwingt sprang ich hinaus, um sie zu begrüßen.
Nur war es nicht Zazie, sondern Hildi.
Und da ich mich diesmal nicht um ein Handtuch bemüht hatte, war klar ersichtlich, in welche Richtung meine Gedanken strebten. Furchtlos äußerte Hildi etwas auf Deutsch, das ich grob als »wär jammerschade, wenn man so was vergeuden würde« übersetzte, und danach …
Nun, erneut keine Einzelheiten, aber die Stunden in der Turnhalle waren sicherlich nicht vergeudet.
Ich war mir noch immer nicht recht im Klaren, was hier ablief, aber ein Verdacht drängte sich mir auf, als ich auf dem rauen Boden lag wie ein bezwungener Ringer und zusah, wie Hildi sich anzog, mir einen Kuss zuhauchte und ging.
Nach einer kurzen Weile erhob und streckte ich mich und wollte bereits zur Dusche zurück, als von draußen eine Stimme rief.
Ich ging zum Fenster und sah hinaus.
Auf dem gefrorenen See waren Zazie und Mouse. Sie mussten, nachdem sie das Chalet verlassen hatten, ihre Schlittschuhe wieder angelegt haben, um noch eine letzte Runde zu drehen, bevor das Tageslicht schwand. Hildi stand am Ufer, rief ihnen zu und wollte ihre Aufmerksamkeit erregen. Und als sich die beiden umdrehten und sie entdeckten, ballte sie die Fäuste und warf die Arme in die Höhe, den Daumen jeweils nach oben gestreckt.
Und dann wusste ich es. Diese reizenden »unerfahrenen« Mädchen hatten beschlossen, ihren und meinen Aufenthalt in der Fichtenburg etwas aufzupeppen, indem sie mich nacheinander flachlegten!
Und wie fühlte ich mich dabei? Geschmeichelt? Zornig? Amüsiert?
Keineswegs. Ich hatte Angst.
Zwei geschafft, blieb noch eine, und das war Mouse.
Mouse, die nicht in einigen Tagen wieder verschwinden, sondern die gesamten Ferien über hier sein würde. Mouse, die meinem Urteil nach am wenigsten Talent zur Täuschung hatte. Die, laut Jacques, der Augapfel ihrer Mutter war.
Meine Schlussfolgerung, die ein wenig ungalant klingen mag, lautete: Wer weiß, was geschehen wäre, wenn es sich um Emerald gehandelt hätte. Aber bei Mouse? Nichts, was sie mir wahrscheinlich zu bieten hatte, war das Risiko wert, dass auch nur der Schatten von Lindas Missbilligung auf mich fiele!
Sie jedoch zurückzuweisen schien potenziell ebenso gefährlich zu sein. Wie würde sie reagieren, wenn sie morgen auftauchte, um dieses fidele Mädchenspiel zu seinem triumphalen Abschluss zu bringen, und dann mit nach unten gestreckten Daumen zu ihren Freundinnen hinausmusste? Würde sie fähig sein, es mit einem Lachen hinzunehmen? Oder würde sie betrübt reagieren? Verärgert? Verletzt? Auf Rache sinnend?
Ich weiß es nicht. Was immer ich auch tun würde, es konnte für Probleme sorgen. Sie verstehen, warum ich wünschte, ich hätte Sie an meiner Seite, damit ich vor Ihnen die Lage ausbreiten und Sie um Ihren weisen Rat bitten könnte. Doch das ist nicht möglich, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, das zu tun, was jeder vernünftige Mann unter diesen Umständen tun würde.
Ich werde Reißaus nehmen.
Nicht weit und nicht für lange. Es ist Samstagmorgen. Am Sonntag werden Hildi und Zazie zu ihren Familien abreisen. Und am Montag, an Heiligabend, werden Linda und ihre Kumpane auf Fichtenburg eintreffen. Morgen ist also der wirklich gefährliche Zeitpunkt. Vermutlich könnte ich eine Entschuldigung finden, um mich ihnen fern zu halten, aus Erfahrung aber weiß ich, dass kein Risiko zu vernachlässigen ist. Will man Risiken vermeiden, sollte man sie ganz ausschließen!
Ich habe also meine Tasche gepackt, Frau Buff eine Notiz hinterlassen, in der ich Sie um Entschuldigung bat, und morgen Früh werde ich damit beginnen, wofür ich in erster Linie in die Schweiz gekommen bin. Ich fahre nach Zürich, um meine Recherchen zu Thomas Lovell Beddoes voranzutreiben, und ich werde nicht eher zur Fichtenburg zurückkehren als am Montag, wenn, so hoffe ich, die Anwesenheit ihrer Mutter sowie die Abwesenheit ihrer Freundinnen Mouse wieder zur Besinnung kommen lassen.
Ihr guter Freund
Franny
ödliche Stille senkt sich im Niemandsland zwischen Weihnachten und Neujahr auf die zerklüftete Landschaft, in der die zerrütteten Überlebenden sich vorsichtig ihren
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