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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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schienen. Sie hatte Fotos gesehen, auf denen sie recht normal aussahen. Und überhaupt, es war für Rosie an der Zeit zu lernen, dass in Familien nicht immer eitel Sonnenschein herrschte.
    »Wie geht’s voran, Liebes?«, fragte sie. Gestern hatte sie den Eindruck gewonnen, dass dort, wo die Dialektik versagte, sture Systematik vielleicht zum Erfolg führte.
    »Ganz gut, aber ich glaube, Tig findet es langweilig«, sagte Rosie.
    Ellie lächelte. Immer häufiger war es Tig, dem es langweilig wurde, Tig, der Hunger bekam, Tig, der müde wurde. Eine meisterhafte Übertragungsstrategie, die es Rosie ermöglichte, ihre Wünsche und Ansprüche geltend zu machen, ohne augenscheinlich egoistisch zu erscheinen. Jeder, dachte Ellie, sollte einen Tig haben.
    Es stimmte sicherlich, der kleine Mischlingsköter unter dem Schreibtisch stellte eine geduldige Leidensmiene zur Schau, die zu sagen schien, Genealogie, schön und gut, aber wann geht’s hier endlich rund?
    Jetzt!, lautete eindeutig die Antwort, als die Erwähnung seines Namens ihn auf die Beine brachte und er, vom Hals beginnend, mit dem Schwanz wedelte.
    Rosie glitt von ihrem Stuhl.
    »Soll ich später aufräumen?«, sagte sie. »Tig sieht aus, als müsste er ein Häufchen machen.«
    Es war zur Bedingung gemacht worden, dass Rosie alles wieder wegräumte, wenn sie das Arbeitszimmer benutzte, Tig allerdings hatte Vorrang.
    »Ich mach das schon«, sagte Ellie und war sich ziemlich sicher, dass sie erneut übers Ohr gehauen worden war.
    Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und begann das Genealogie-Set zusammenzupacken. Der Kasten zielte auf Kinder und Jugendliche ab, der Einführungstext riet dem jungen Genealogen, ältere Verwandte nach Einzelheiten der Familiengeschichte zu befragen, wobei angefügt wurde: »Aber sei vorsichtig. Je älter die Menschen werden, umso mehr spielt ihnen das Gedächtnis einen Streich. Es muss also alles überprüft werden!«
    Ein Rat, den man sich zu Herzen nehmen sollte.
    Mehr oder weniger der Rat, den sie auch Peter in Bezug auf Roote gegeben hatte.
    Würde er ihn sich zu Herzen nehmen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
    Andererseits, ging es ihr pflichtschuldigst durch den Kopf, hatte es nicht viel Sinn, gute Ratschläge zu verteilen, wenn man selbst nicht willens war, sie zu befolgen.
    Und da ihr das Mäntelchen der Tugend schon immer als ein recht raues Stück Stoff erschienen war, kratzte sie sich ausgiebig, indem sie für sich anfügte, würde es denn nicht Spaß machen, Peter das Ergebnis ihrer eigenen Recherchen über Rootes Vergangenheit auf den Tisch zu knallen und sagen zu können, hey, ich denke, du hast da ein paar Dinge übersehen!
    Sie ordnete die beigepackten Anleitungszettel und begann sie von Anfang an zu lesen.
     
     
     ie Uhr des alten Rathauses, die noch immer wacker die Stellung hielt, obwohl ihr breites Gesicht schon lange keinen freien Blick mehr hatte auf die sanft geschwungenen Täler im Norden, sondern blinzelnd durch einen Dschungel aufgeplusterter Modernität spähen musste, sammelte all ihre Kraft und schlug.
    Die stille, frostige Luft bot dem Klang so wenig Widerstand, dass selbst den unbedarften Bewohnern von Lancashire bewusst werden musste, dass hier, mitten in Gottes eiger Grafschaft, das alte Jahr sich davonmachte und das neue im Anmarsch war.
    Einen Augenblick lang gab es keine Konkurrenz, dann begann jede Glocke in der Stadt zu ertönen, Raketen stiegen in den Himmel, in deren Farbkaskaden die Sterne verblassten, Autos hupten, im Charter Park, um die Reiterstatue des Grand Old Duke of York, die bereits mit dem traditionellen Zierrat an Papierschlangen, Klopapierrollen und aufgeblasenen Kondomen geschmückt war, brachen die Feiernden in lärmendes Gejohle aus, während in den gediegeneren Räumlichkeiten des alten Rathauses die Gäste des Bürgermeisters bei seinem Hogmanay Hop einen fröhlichen Willkommensjubel anstimmten, um dann ihre Zungen der ersten wichtigen Angelegenheit des neuen Jahres zu widmen.
    Eines der Dinge, die Dalziel an Cap Marvell mochte, war, dass sie ebenso zu geben wie zu nehmen verstand, sodass sie sich gut und gern mit einem Zungenknoten vereinigt hätten, den zu trennen es schon eines Alexanders bedurft hätte, wäre nicht Margot gewesen, die Frau Bürgermeisterin, die ihr
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ausübte, ihm auf die Schulter tippte und sagte: »Das reicht jetzt, Andy. Spar dir noch was fürs Frühstück auf.«
    »Mein Gott, Marge, ich möchte nicht in deinem Tag-Team sein!«,

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