Die Launen des Todes
Beziehungen und sein ganzes Leben wieder neu ordnet. Was ist also so seltsam daran, wenn Roote das ebenfalls will, nachdem es für ihn momentan doch so gut läuft?«
»Okay, ich strecke die Waffen«, sagte Pascoe. »Ich nehme Rootes Versöhnungsangebot an. Aber ich werde ihm keine Weihnachtskarte schicken. Mein Gott, schau nur, wie groß diese hier ist!«
Er riss den Umschlag auf und entnahm ihr die Reproduktion irgendeines angeblichen alten Meisters. Zu sehen war eine Bande Schafdiebe, die verständlicherweise alarmiert in einen Lichtstrahl aufblickte, der von einem Polizeihubschrauber stammen könnte und um den eine Girlie-Jazz-Band herumtanzte.
»Und wer zum Teufel ist Zipper? Auch noch mit drei Küssen«, fragte er und öffnete die Karte. »Wir schicken doch niemandem eine Karte, der Zipper heißt, oder? Ich hoffe doch sehr, dass wir das nicht tun.«
»Zipper. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Lass mal sehen …«
Ellie drehte den Umschlag um. »Scheiße. Er ist an Rosie adressiert. Zipper, das war der kleine Junge, den Rosie in den Ferien so in Anspruch nahm. Seine Eltern sind irgendwelche großkotzigen Torys. Wir sollten den Umschlag wieder zukleben, sonst verklagt sie uns noch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.«
»Warum werfen wir ihn nicht einfach in den Müll? Es geht doch nicht an, dass sich unsere Tochter in den falschen Kreisen herumtreibt, oder?«
Ellie ignorierte seinen Kommentar. »Es ist ihr erster Liebesbrief. Mädchen hüten solche Sachen. Ich bringe ihn hoch und sag ihr, dass sie schon mal den Mantel anziehen soll. Und du solltest langsam den Wagen anwerfen, vorausgesetzt, du kannst dich von deiner eigenen Fanpost losreißen. Du weißt doch, wie das an einem so kalten Morgen ist. Du solltest dich wirklich mehr darum kümmern.«
Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Pascoes Wagen fror nachts nur deswegen draußen ein, weil Ellies altertümliches Gefährt nach dem Grundsatz, wer als Erster kommt, auch als Erster beschützt wird, meist die Garage okkupierte.
»Warum bringst du sie nicht hin«, sagte er, »wenn deine Rostschüssel doch so wunderbar schnurrt?«
»Geht nicht. Ich bin um zehn mit Daphne auf einen Kaffee im Estotiland verabredet, und danach werden wir uns voller Todesverachtung in die Weihnachtseinkäufe stürzen. Außer du willst tauschen?«
»Dich gegen Daphne, meinst du? Wäre vielleicht keine so schlechte Idee … tut mir Leid! Aber Rosie möchte vielleicht Miss Wintershine gegen Estotiland tauschen.«
Estotiland war ein riesiger Vergnügungs- und Einkaufstempel (dessen Konzept von Rory und Randy Estoti, einem kanadischen Bruderpaar, entwickelt worden war) und lag auf einem aufgelassenen Industriegelände an der Grenze zwischen South- und Mid-Yorkshire. Die Estotis brüsteten sich damit, dass Estotiland alles bot, was Männer, Frauen und Kinder begehrten. Der Laden war so kundenfreundlich wie nur möglich, enthielt neben den Ladenzeilen, die sich über mehrere Stockwerke erstreckten, Clubs und Sporteinrichtungen, wobei die Junior Jumbo Burger Bar und die dazugehörigen Spielbereiche sich zur ersten Adresse für die Partys der Kids entwickelt hatten.
»Das Mädchen will ein Wunderkind werden, also soll sie es auch werden«, sagte Ellie, die so vieles von sich selbst in Rosie sah, um gegen deren Launen gewappnet zu sein. »Ich mach ihr mal Beine.«
Sie verließ das Zimmer. Pascoe schob sich das letzte Stück Toast in den Mund, leerte die Kaffeetasse, steckte Rootes Brief in die Tasche und ging zu seinem Wagen.
Wie vorhergesehen widerstrebte es der Karre anzuspringen, worin sie sich kaum von Pascoe unterschied, nur ihr morgendlicher Husten war noch schlimmer. Irgendwann zwischen dem dritten und vierten Keuchanfall stieg Rosie ein und setzte sich auf den Beifahrersitz. Schweigend saß sie eine Weile lang da, bevor sie in ihrer edelmütigen, leidenden Märtyrerstimme sagte: »Wenn ich mit Mum fahre, komme ich nie zu spät.«
»Komisch«, sagte Pascoe. »Ich hab da die genau gegenteilige Erfahrung. Er kommt!«
Der Keuchhusten verwandelte sich in ein Stottern, dann in ein rhythmisches Rattern und schließlich in etwas, was dem Klang einer Verbrennungsmaschine entsprach, die bereit war, ihrer Aufgabe nachzukommen.
»Dann wollen wir mal sehen, wer zu spät kommt«, sagte Pascoe.
Ms. Wintershine wohnte in der St. Margaret Street, was unglücklicherweise bedeutete, dass die Hauptstraße ins Stadtzentrum zu nehmen war. Zunächst kamen sie gut voran, dann
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