Die Launen des Todes
Sie wissen schon, Gemütsverfassung und solche Dinge. Später stellten wir fest, dass Dr. Johnson umgebracht wurde, die Verbindung zu Ihrem Bruder erschien also nicht mehr von Bedeutung. Aber aus bestimmten Gründen habe ich mir über seinen Tod Gedanken gemacht …«
Es klang schwach, die Augen des Mädchens aber leuchteten. »Sie meinen, so wie sich bei Johnson herausstellte, dass er nicht Selbstmord begangen hat, sondern umgebracht wurde, könnte sich bei Jake Ähnliches herausstellen? Kein Unfall, sondern Mord? Vielleicht der gleiche Täter, der auch Dr. Johnson umgebracht hat?«
»Bestimmt nicht«, sagte Pascoe, der sich Trimbles Reaktion, von Dalziels ganz zu schweigen, vorstellte, wenn er die Schlagzeile las TOTER STUDENT – EBENFALLS OPFER DES WORDMANS ? »Es gibt wirklich keinerlei Verbindung zwischen den beiden Todesfällen, glauben Sie mir.«
Außer natürlich Roote …
Aber auch Roote würde er nicht erwähnen, was ihm die Antwort nicht erleichterte, als Sophie Frobisher irritiert fragte: »Und was zum Teufel tun Sie dann hier?«
»Ich war wegen einer anderen Sache in Sheffield, und DI Rose hat mir von Ihren Vorbehalten erzählt. Und von der vermissten Uhr. Und weil ich in der Vergangenheit mit dem Fall befasst war, dachte ich mir, könnte es ganz nützlich sein, mit Ihnen zu reden. Um die letzten losen Fäden festzuzurren, sozusagen.«
Das war noch schwächer als vorher, erwiesenermaßen, da es wie eine wunde Schniefnase herausstechen musste, dass er keineswegs die Absicht gehabt hatte, sie zu treffen.
Aber sie schien damit zufrieden zu sein. »Okay, fangen Sie an mit dem Festzurren.«
»Warum sind Sie sich so sicher, dass Jake nicht an einer zufälligen Überdosis gestorben ist, als er seine Arbeit zum Abschluss bringen wollte?«
Sie sah ihn nun schräg durch den Spiegel an, vor dem sie sich das Haar kämmte.
»Es war nur … na ja, Sie müssten dazu Jake kennen. Als Erstes schien er sich bei seinem Studium nie anstrengen zu müssen. Ich habe ihn, glaube ich, wenn ich zu ihm hochkam und ihn besuchte, nie auch nur ein einziges Wort schreiben sehen. Alles aufgeräumt, hatte er immer gesagt. Das Deck sauber gemacht, damit ich meine kleine Schwester empfangen kann! Und bei den Drogen, da nahm er das übliche Zeug, aber er war immer ziemlich vorsichtig. Musste immer wissen, woher der Stoff stammte. Sagte mir immer, wenn ich Ecstasy wollte, sollte ich zu ihm kommen und nicht das Risiko eingehen, mir irgendeinen Scheiß von einem Dealer in der Disco andrehen zu lassen. Er war der Letzte, der wegen eines Unfalls hopsgegangen wäre.«
»Es liegt in der Natur der Drogen, dass sie das Urteilsvermögen beeinträchtigen«, sagte Pascoe. »Anfangs ist man vielleicht vorsichtig, aber wenn man erst mal unter dem Einfluss …«
»Sie hauen sich eine Menge von dem Zeug rein, was?«, sagte sie wütend. »Ich kenne meinen Bruder … ich kannte meinen Bruder …«
Tränen traten ihr in die Augen, sie begann den Kamm durch ihr Haar zu zerren, als wollte sie es sich mitsamt den Wurzeln ausreißen.
»Vielleicht ist es so geschehen«, sagte sie halb schluchzend. »Vielleicht will ich einfach nicht akzeptieren, dass er tot ist … dass er tot ist … Ich weiß doch gar nicht, was das heißt … tot …«
Pascoe lagen tröstende Worte auf der Zunge, aber er schwieg. Falls die junge Frau sich eingestehen konnte, dass der Tod ihres Bruders ein Unfall war, wäre es äußerst egoistisch von ihm, wenn er mit seiner Roote-Obsession alles zunichte machte.
Er wechselte das Thema. »Erzählen Sie mir von der vermissten Uhr.«
Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Er hat sie geschenkt bekommen, ich weiß nicht von wem, von jemandem, der wohl wirklich auf ihn gestanden hat. Ein großes schweres Ungetüm, genau sein Stil, eine Omega, glaube ich, mit Goldarmband – na ja, ob es echtes Gold war, weiß ich nicht, aber sie sah ziemlich echt aus. Und auf der Rückseite war eine Gravur.«
»War daraus nicht abzulesen, von wem sie stammte?«
»Nein. Ich hab ihn danach gefragt, aber er hat nur gelacht und gesagt, ›Schwesterlein, Schnüffelschwein, steckst deine Nas’ in Dinge rein, ist der Zinken nicht mehr klein!‹ Das hat er immer gesagt, wenn wir …«
Wieder kamen ihr die Tränen.
Pascoe, der den Tränen Einhalt zu gebieten versuchte, fragte: »Diese Gravur, können Sie sich daran noch erinnern?«
»Ich kann sie Ihnen zeigen«, sagte sie. »Sie war ziemlich lang, kleine Buchstaben, und
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