Die Launen des Todes
Liebe zu allem Englischen auch unsere prächtigen Mädchen mit einschloss.
Doch die Unbeschwertheit, mit der er mich vorstellte, war so frei von jeglichen Schuldgefühlen, dass ich mich für meinen Verdacht selbst tadelte, dies umso mehr, als mir bewusst wurde, was er sagte.
Diese liebenswürdige junge Frau, die mich mit einer Gleichgültigkeit betrachtete, die schlimmer war als Feindseligkeit, war Emerald Lupin, Lindas Tochter. Selbst wenn seine ihm angeborene Heiligkeit und seine religiösen Gelübde nicht ausreichten, den alten Adam im Zaum zu halten, hätte Jacques, ein äußerst vernünftig denkender Mensch, es wohl nie riskiert, einen der einflussreichsten Mäzene seiner Bewegung zu brüskieren!
Da fällt mir ein, dass ich bei Ihnen eine zumindest flüchtige Vertrautheit mit der Third-Thought-Bewegung voraussetze; falls ich mich darin irre, möchte ich Ihnen bündigst einen Abriss dazu liefern.
Beginnen wir ganz am Anfang, in diesem Fall bei dem Gründer der Bewegung, Frère Jacques. Er ist Bruder der Cornelianer, eines Ordens, der kaum bekannt ist außerhalb Belgiens, wo sich auch das einzige Kloster befindet, L’Abbaye du Saint Graal. Aus verschiedenen Quellen wurde mir zugetragen, dass Jacques ein rastloses Leben als Soldat führte, bis er bei einem Einsatz in einer UN -Friedensmission schwer verwundet wurde und als Invalide aus der Armee ausschied. Glücklicherweise für ihn und für uns alle lag sein Geburtsort ganz in der Nähe der cornelianischen Abtei, und ein Rückfall nötigte ihn zum Aufenthalt in der dortigen Infirmerie, gefolgt von einer langen Rekonvaleszenz im Fremdenhaus. In dieser Zeit erlebte er einen inneren Frieden und die Bereitschaft, alles, was ihm unweigerlich widerfahren würde, zu akzeptieren, was er später in seiner Philosophie des Third Thought ausformulieren sollte. Schließlich präsentierte er sich den Mönchen als Anwärter, der in ihren Orden aufgenommen werden wollte.
Ihr Votum erfolgte einstimmig. Ich sage Votum, denn die Cornelianer zeichnen sich dadurch aus, dass alle wichtigen Entscheidungen von der gesamten Bruderschaft getroffen werden – ein Mönch, eine Stimme. Es handelt sich in der Tat um einen sehr liberalen und demokratischen Orden, was vielleicht auch erklärt, warum Rom ganz unverhohlen hofft, dass diese Rebe an ihrem Weinstock verdorrt. Sein Gründer, Papst Cornelius, werden Sie sich erinnern, wurde in die Verbannung geschickt und enthauptet, nachdem er in einem erbitterten Disput dafür eintrat, dass die Kirche Apostaten und anderen, die Todsünden auf sich geladen haben, vergeben könne. Spricht nicht viel dafür, dass er die Auseinandersetzung heute gewinnen könnte, oder?
Jacques hatte sich, was kaum überraschen konnte, sehr mit dem Tod auseinander gesetzt, besonders mit dem unerwarteten Tod, der, so versicherte er mir, sogar im Kampf als solcher wahrgenommen werde. Immer denkt man, es werde den anderen erwischen! Er selbst war im Herzen der ausgedehnten flandrischen Schlachtfelder aufgewachsen, wo es noch heute kaum möglich ist, eine Stunde lang seinen Garten umzugraben, ohne eine Litze oder Patrone oder einen Knochen zu Tage zu fördern, was ihn allerdings nicht davon abhielt, in die Armee einzutreten.
Seine eigene Begegnung mit dem Tod hatte etwas von einer Epiphanie. Als er im Hospiz der klösterlichen Infirmerie arbeitete, erkannte er, dass dort zwar allen Patienten bewusst war, dass das Ende bevorstand, dass sie sogar auf den Tod vorbereitet waren, dass aber trotzdem für die große Mehrheit der Menschen der Tod wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam.
Irgendetwas passiert, und wir stellen fest, dass wir nun der andere sind – und wer von uns ist darauf vorbereitet?
Nötig war also, beschloss er, eine Art Hospiz für den Geist, ein Leben, wie er es während seines Aufenthalts in der Infirmerie und im Fremdenhaus erfahren hatte; ein Leben, das den Tod annahm statt ignorierte, ein Geisteszustand ähnlich jenem von Prospero, der von seiner Rückkehr nach Mailand sagte, jeder dritte Gedanke solle das Grab sein.
Das war die Geburt der Third-Thought-Therapie, deren Ziel, einfach ausgedrückt, es ist, dem Tod in unserem Leben seinen angemessenen Platz einzuräumen, auch wenn Jugend, Gesundheit, Glück und Wohlstand dies völlig irrelevant erscheinen lassen.
Doch selbst Jacques würde sich schwer tun, in Gegenwart von Emerald Lupin einen Gedanken an den Tod zu erübrigen!
Ich wusste, dass Linda zwei Töchter hatte, stellte sie mir jedoch
Weitere Kostenlose Bücher