Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
Handelshafen. Mich lockte die Seefahrt, und als Schiffsjunge ging ich an Bord eines Mittelmeerfahrers. Der Kapitän war ein ungewöhnlich gutmütiger Mann und nahm mich, der ich lernwillig war, in seine Obhut. Zwei Jahre fuhr ich mit ihm und lernte das Handwerk des Seefahrers, dann ereilte uns das Unglück.«
»Vor Paimpol, an der bretonischen Küste.«
»Wo ich in der Abtei von Beauport, in der ich von meinen Verletzungen genas, Melvin de Penthièvre kennen lernte.«
»Dem du aber nur als Menard Romarus bekannt warst!«
»Richtig. Ich hatte alle Fäden zu meiner Vergangenheit gekappt. Ich fand Beatrice, wie Ihr wisst, heiratete sie in Eurem Beisein, und Jehan, mein Sohn, kam zur Welt. Beatrice starb, Jehan fand ein neues Zuhause bei einer angesehenen Familie, und ich versuchte, auch diesen Teil meiner Vergangenheit auszulöschen. Ich brach nach Brest auf, und von dort begab ich mich wieder auf Mittelmeerfahrt. Mein kleines Kapital aus der Fischerei war der Beginn – ein Pfeffersack hier, eine Kiste Safran da, ein paar Ballen Seide, ein paar weiche Pelze... Ich scheine ein Händchen für das Geldmachen zu haben. Mein Vermögen wuchs stetig.«
Melvinius schien aufrichtig erstaunt zu sein.
»Ich hatte dich für einen armen Burschen gehalten.«
»Nun, eigentlich bin ich derzeit ein ziemlich reicher Bursche.«
»Was natürlich vollkommen erklärt, weshalb du eine Arbeit als Gärtner im Kloster angenommen hast.«
Meiko grinste.
»Eben. Ich kann es mir leisten, für einen Hungerlohn zu arbeiten.«
»Wirst du mir deine wahren Beweggründe nennen, Meinhard. Oder soll ich besser meine Fragen hinunterschlucken?«
»Ihr werdet schnell genug Vermutungen anstellen, Pater. Euer Verstand ist so geartet.«
»Je nun, das ist er wohl. Hat dein Vater dich enterbt und deinen Bruder zu seinem Nachfolger ernannt?« »Das tat er.«
»Und jetzt bist du hergekommen, um dein Recht einzufordern?«
»Es gibt nichts zu fordern. Die Sache ist komplizierter. Versteht, Pater, ich war nicht ständig auf See, meine wachsenden Geschäfte musste ich auch immer mal wieder an Land verfolgen. Nach den ersten fünf anstrengenden Jahren versöhnte ich mich mit einem Teil meiner Vergangenheit, und einige Male habe ich Jehan in St. Brieuc besucht. Es machte mir Freude, sein Aufwachsen zu beobachten, und wir lernten uns in den Monaten, die wir gemeinsam verbrachten, recht gut kennen. Der Junge hat einen glücklichen Charakter und fand sich mit seinem abenteuerlustigenVater recht gut ab. Ich entdeckte vieles an ihm, in dem er mir glich, und das freute mich aufrichtig. Doch unser Verhältnis gab mir auch in anderer Beziehung zu denken. Vater und Sohn sollten nicht in Feindschaft miteinander leben, erkannte ich nach und nach. Darum schrieb ich meinem Vater einen langen Brief, in dem ich ihm über mein Fortkommen berichtete, aber auch meine Gefühle für ihn darlegte. Ich gab ihm an, dass ich mich im Winter des Jahres 1500 in Antwerpen aufhalten würde, um ihm eine Möglichkeit zu geben, wieder mit mir in Kontakt zu treten.«
»Eine kluge Tat, mein Junge, die Bewunderung verdient.«
»Ach nein, Pater. Es war mir, ehrlich gesagt, sogar ein Bedürfnis. Ich hoffte, in meinem Haus in der Stadt einen Brief oder eine Botschaft von ihm vorzufinden. Doch er war es selbst, der die beschwerliche Reise aufgenommen hatte, um mich dort aufzusuchen.«
Meiko schwieg, aber in seinem Gesicht zuckte es. Melvinius schenkte ihm Wein nach.
»Es wird euch beide sehr bewegt haben.«
»Ja, das tat es. Wir begruben unseren Zwist in jenen Tagen, und ich fand die Zuneigung wieder, die zwischen meinem Vater und mir in meinen jungen Jahren geherrscht hatte. Aber nicht nur ich hatte vieles wieder gutzumachen, auch er gestand mir seine Fehler ein. Meine Mutter war im Jahr zuvor gestorben, und er gab zu, sie habe auch ihm mit ihrem immer krankhafter werdenden Aberglauben und ihrer Höllenfurcht das Leben schwer gemacht. Er berichtete mirauch von meinem Bruder. Nachdem ich das Haus verlassen hatte, war mein Vater so zornig geworden, dass er sein Testament zu Siverts Gunsten geändert und ihn zu seinem Erben eingesetzt hatte. Damit verbunden war aber auch die Pflicht, das Gut zu führen. Mein Vater war nicht recht glücklich damit, wie Sivert diese Aufgabe anging. Er fragte mich schließlich eines Abends, kurz vor seiner Abreise, ob ich zurückkommen wolle, um als rechtmäßiger Herr auf Rommerskirchen zu leben. Meine erste Reaktion war Ablehnung. Vater verstand es, denn er
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