Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
Caroline, ich denke, Eure Ängste sind nun beseitigt. Aber... es will mir scheinen, als ob hier verschiedene Dinge in Gang gekommen sind, die eine gewisse Gefahr darstellen. Für Meiko und für Jehan. Schweigt also am besten darüber, dass Ihr den Jungen hier gesehen habt. Lasst Eure Leute weitersuchen.«
Die Dame schien mir recht klug und besonnen zu sein, jetzt, nachdem sie Jehan in Sicherheit wusste.
»Ja, die beiden sind in Gefahr, Pater Melvinius. Ich weiß es, und es macht mich betrübt, ihnen nicht helfen zu können. Immerhin – ich werde meine Leute noch bis heute Abend ausschicken und dann bekannt geben, ich hätte erfahren, er habe bei einem der Pächter Unterschlupf gesucht und dort geholfen, die... äh... Sturmschäden zu beseitigen. Das ist glaubhaft, denn Jehan ist ein überaus hilfsbereiter und anstelliger kleiner Kerl. Ich habe ihn sehr in mein Herz geschlossen.«
»Eine gute Idee, Dame Caroline.«
Die Dame kraulte mich sehr kundig zwischen denOhren, und ihre Stimme glich beinahe einem kätzischen Mutterlaut.
»Auch ich habe einen kleinen, weißen Kater, der mir sehr klug vorkommt. Er hat genauso weise Augen wie Eure Mirza, Pater Melvinius. Ich habe ihn Merlin getauft. Pflegt sie gut, sie sieht ein wenig mager aus.«
»Ich habe in der Küche schon doppelte Portionen bestellt«, meinte Melvinius, und ein glückliches Lachen tief in seiner Brust ließ mich zufrieden aufmaunzen.
In Melvinius’ Schlafkammer wartete tatsächlich schon Yvain mit etwas klein geschnittenem Fleisch, sehr bekömmlich und delikat mit ein paar Flöckchen Butter angereichert. Das Bettzeug war glatt gestrichen und eine frische, saubere Decke darüber gebreitet. Der Feenstein lag auf dem Tischchen vor der Gebetsbank. Ich machte es mir auf dem Lager gemütlich, futterte und beobachtete dabei, wie der Pater den Kristall lange in den Händen hielt. Sein Gesicht trug einen eigenartigen, träumerischen Ausdruck, als versuche auch er sich an etwas zu erinnern, das sich ihm aber dennoch immer wieder entzog.
Dann kam Meiko wieder zu ihm und setzte sich unaufgefordert auf den Schemel am Fenster. Melvinius legte den Stein zu mir und nahm in seinem Sessel Platz.
»Jehan ist erschöpft und zerkratzt, er hat sich den Fuß verrenkt und etliche blaue Flecken davon getragen. Doch nichts ist bedrohlich, meint der Infirmarius. Zwei, drei Tage Ruhe und stärkende Mahlzeitenwerden schnelle Genesung bringen. Fragen habe ich ihm noch nicht gestellt.«
»Gut so, das können wir später noch immer tun. Erzähle mir nun von dir, Meiko. Oder Menard. Oder wie sonst noch?«
»Meinhard von Rommerskirchen, Pater.«
»So so!«
»Es ist eine lange Geschichte.«
»Dann wollen wir uns derweil mit einem Becher Wein stärken!«
Melvinius goss ihnen ein und lächelte den einstigen Gärtnerburschen gütig an. Der berichtete, und ich lauschte genauso intensiv wie Melvinius seinen Worten.
»Ich wurde vor fünfunddreißig Jahren hier geboren, als der erste Sohn des Gutsherrn Sintram von Rommerskirchen und seinem ehelich angetrauten Weib Magdalena. Zwei Jahre nach mir kam mein Bruder Sivert zur Welt. Ihr seid ihm begegnet.«
»Richtig, dem jetzigen Herrn des Anwesens.«
»Bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr lebte ich auf dem Gut und wurde als Erbe erzogen. Mein Vater sorgte für gute Lehrer, aber ich wurde auch früh in die Verwaltung mit einbezogen, und er sah auch darauf, dass ich etwas vom Handwerk verstand. Mir machte alles Freude, wenngleich ich aber auch mit jugendlichem Eifer meinem Vater oft Verdruss bereitete. Er war ein Mann der Traditionen, mich dagegen begeisterten neue Ideen. Wir stritten oft, und ich fand ihn halsstarrig und nannte ihn verknöchert. Sivert war lange nicht so eifrig im Lernen, aber er passte sich besser an. Ihm lag nichts an Fortschritten oder Veränderungen.Was man ihm auftrug, erledigte er mehr oder weniger gründlich. Vor allem meiner Mutter wusste er zu gefallen, denn er hatte eine gewandte Art, ihr zu schmeicheln. Mir gelang das nie, denn so arg es klingen mag, meine Mutter schien mir, je älter ich wurde, immer fremder zu werden. Sie war eine überaus fromme Frau, die auf das Genaueste die Gebote der Kirche achtete. Sie besuchte, so oft sie konnte, die Messe, kniete täglich lange Zeit in unserer kleinen Kirche und hielt streng die Fastentage ein. Mindestens einmal im Jahr unternahm sie eine Wallfahrt zu einer der Stätten, an denen irgendwelche Heilige angeblich Wunder wirkten.«
»Wunder, an die du nicht
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