Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
sah, wie unabhängig ich geworden war. Allerdings machte er eine kleine Bemerkung, die mich nachdenklich stimmte. Er sprach von seinem Enkel Jehan, den er gerne sehen würde. In jener Nacht träumte ich von den Wäldern meiner Jugend, von den fruchtbaren Äckern, den vollen Scheuern, dem friedlichen Bimmeln der Glocke unserer kleinen Kirche, und als ich erwachte, wusste ich, meine Zeit als unsteter Wanderer war vorüber. Ich wollte nach Hause, ich wollte Jehan, meinem Sohn, die Wurzeln seiner Familie zeigen.
Im Frühjahr, als die Wege und Flüsse wieder befahrbar wurden, reiste mein Vater zurück. Ich hatte ihm versprochen, dass die Fahrt, die jetzt noch geplant war, meine letzte sein würde. Danach wollte ich Jehan holen und mit ihm nach Rommerskirchen zurückkehren. Er hingegen hatte vor, das Testament zu ändern, sodass ich wieder sein anerkannter Nachfolger würde.
Indes – ich ging auf eine erfolgreiche Handelsfahrt, für meinen Vater aber verlief die Reise zurück nicht glücklich. Er erkrankte und kam zu Tode geschwächtin Rommerskirchen an. Es blieb ihm noch die Zeit, sein Haus so zu bestellen, wie er es sich gewünscht hatte, dann starb er.«
»Ich weiß. Im Sommer des Jahres 1501. Ich nahm an seiner Beerdigung teil. Seltsam, obwohl ich damals schon fünf Jahre in diesem Kloster weilte, habe ich ihn außer an den hohen Feiertagen, an denen er die Basilika besuchte, nie getroffen. Ich habe mich in meiner Bibliothek wohl sehr von der Welt abgeschlossen.«
Melvinius sagte es mit Bedauern in der Stimme.
»Eigentlich schade, Pater, denn Ihr hättet Euch gut mit ihm verstanden. Auch er liebte die Bücher. Einige, die er während seines Aufenthaltes in Antwerpen erstanden hat, sind übrigens hier in Eurer Bibliothek gelandet.«
»Daher dein ungewöhnliches Interesse an Pergamenten und Folianten!«
»Verräterisch bei einem ungehobelten Gärtnerburschen wie mir, nicht wahr?« Meiko langte zu mir hinüber und kraulte mich liebevoll. »Es jammerte mich, diese Bücher von Mäusen angenagt zu sehen, darum habe ich Euch diese Katze angeschleppt. Sie hat nicht nur diese Aufgabe gut erfüllt, nicht wahr?«
»Nein, Mirza ist uns beiden weit mehr wert als nur als Mäusefängerin, nicht wahr? Sie ist uns eine echte Freundin geworden. Ist es dein Bruder, der die Bücher eures Vaters verkauft?«
Meiko nickte, und sein Gesicht zeigte einen Anflug von Grimm.
»Sivert war schon als Junge kein Freund des Lesens. Er ging lieber auf die Jagd oder zum Fischen.«
»Du hast ihn bisher noch nicht aufgesucht, will mir scheinen.«
»Nein. Ich kam her, um zunächst einmal die Lage zu prüfen. Ihr müsst wissen, Pater Melvinius, ich erhielt einen Brief von meinem Vater, den er kurz vor seinem Tod an mich gesandt hat. Und dieses Schreiben machte mich misstrauisch. Er teilte mir darin mit, er habe sehr wohl das Testament geändert, doch er war zu schwach und außerdem bettlägerig, um es unserem Advokaten zu überbringen. Einem Boten aber wollte er es aus verschiedenen Gründen nicht anvertrauen. So kam er auf die Idee, die Moen einzuweihen. Sie war meine ehemalige Amme und Kinderfrau und hatte nach dem Tod meiner Mutter die Führung des Haushaltes übernommen. Sie pflegte meinen kranken Vater, den sie sehr achtete, hingebungsvoll. Er schätzte sie ebenfalls und dankte ihr ihre Treue, indem er für sie nicht nur auf Lebzeiten das Häuschen in Dellenhofen pachtete, sondern ihr auch eine reiche Summe Geldes gab. Ihr vertraute er auch die Kassette mit den Dokumenten an, die seinen letzten Willen und verschiedene andere wichtige Urkunden, den Besitz betreffend, beinhalteten.«
»Die alte Moen! Deshalb hast du sie besucht?«
»Ja, deshalb. Und musste entdecken, dass sie just entschlafen war. Was ich nicht fand, waren die Dokumente. Es machte die Sache ein wenig kompliziert!«
»So kann man das wohl ausdrücken. Sivert lässt keinen Zweifel daran, dass er der rechtmäßige Erbe und Herr von Rommerskirchen ist.«
»Er wusste zunächst nichts von dem Treffen in Antwerpen. Mein Vater hat mit ihm nicht darüber gesprochen.Auch das ist etwas, was mich in dem Schreiben bedenklich gestimmt hat. Er drückt es zwar nicht in deutlichen Worten aus, doch es geht daraus hervor, dass Sivert sich zu einem lasterhaften jungen Mann entwickelt hat. Mein Vater traute ihm nicht mehr, seit er Kenntnis von verschiedenen Vorfällen während seiner Abwesenheit bekommen hatte. Doch ans Krankenlager gefesselt, hatte er wenig Möglichkeiten, noch auf seinen
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