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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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eigentliche Verständnis aus. Ich stellte für mich die These auf, dass die Menschen aufgrund ihrer schwachen Sinne so viel Wert auf das Schwatzen legen.
    Diese schwachen Sinne sind wohl auch der Grund, warum sie in Rudeln zusammenleben. Eine Katze kann für sich ganz alleine sorgen. Das Futter muss man sich zwar erjagen, aber dazu braucht man keine Hilfe. Die Menschen machen Jagd auf eingepferchte Tiere, aber dazu brauchen sie schon mal jemanden, der den Pferch drum herum zieht. Für die Hühner der Moen hatte das der Mattes gemacht. Und dann die Kleidung. Irgendwie sind diese glatthäutigen, beinahe haarlosen Wesen ja zu bedauern. Kein eigenes warmes Unterfell, das im Winter ganz von selbst wächst, keine Wasser abweisenden Deckhaare, nur ein paar kümmerliche Reste auf dem Kopf, die dann auch noch lang herunterhängen und ihnen die Sicht nehmen, weshalb sie komische Sachen damit anstellen. Vor allem die Frauen. Sie brauchen Kleider, um sich zu schützen, die sie noch nicht einmal mit der eigenen Zunge reinigen können. Ein erbärmliches Leben. Um einigermaßen sauber zu bleiben, brauchen sie wiederumandere Menschen, solche Wäschermädels wie die Katryn etwa, die diese Kleider in Ordnung halten. Sich selbst wuschen sie mit Wasser. Igitt!
    Aber trotzdem, es lag sich gemütlich auf den weichen Decken, die sie mit ihren Fingern herzustellen wussten. Diese Finger wogen wohl einiges an sonstigen körperlichen Nachteilen auf. Meister Clemens war damit in der Lage, bewundernswerte Bilder herzustellen, und Melvinius fand mit ihnen genau diese Stellen an meinem Leib, die sich nach einem Kraulen sehnten. Leider konnten sie auch sehr wirkungsvoll damit zupacken und kleinere Wesen brutal wegschleppen. Wie es dieser grässliche Meiko getan hatte.
    Vermutlich hatte ihm deshalb jemand zwei seiner Finger abgebissen!
    Geschah ihm recht!
    Die Wolkenwand war näher gekommen, und nun zuckten die Blitze über den Himmel. Leise klirrten die Scheiben, als sich ein mächtiger Donnerschlag entlud. Dann prasselte der Regen nieder. Ich war fasziniert. Zugesehen hatte ich einem Gewitter noch nie, denn entweder hatte ich mich tief im Gebüsch verkrochen oder mich in die dunkelste Ecke von Moens Kate zurückgezogen. Wirklich keine ganz schlechte Idee von den Menschen, durchsichtige, aber undurchlässige Fenster in ihre Häuser einzusetzen.
    Später, mit dem Nachlassen des Regens und dem Verklingen des Donners, hatte die Schwere der Luft abgenommen, und auch die bedrückende Ausstrahlung, die von dem alten Mann ausgegangen war, schien sich verflüchtigt zu haben. Ich machte einen kurzen Abstecher in seine Kammer und fand ihnfriedlich schlafend und ruhig atmend auf seinem Bett liegen. Über meine Schnurrhaare versuchte ich die Lage zu beurteilen. Schnurrhaare nehmen feinste Schwingungen auf, solche, die man weder über Geruch noch über Gehör oder Gesicht wahrnimmt. Da ich ihn nicht wecken wollte, indem ich auf seine Brust sprang, musste ich von einer gewissen Entfernung aus prüfen, wie es um ihn bestellt war. Aber es schien alles in Ordnung zu sein, denn sein Herz schlug jetzt wieder kräftig und gleichmäßig.
    Ich stieß leise die Klappe am Fenster auf und begab mich zu einem späten, sehr kleinen Rundgang.
    Es war widerlich schlammig.
     
    Der Sonntag wurde dann recht unruhig. Ich, die ich meinen geregelten Tagesablauf liebte, wurde völlig aus dem Zeitplan geworfen. Aber es war spannend und bescherte mir einige tief schürfende Einsichten in die menschliche Natur. Erst einmal wurde ich kalt erwischt, weil ich, als ich meinen Abstecher in die Basilika machte, sozusagen von einer Menschenwoge überrollt wurde. Da mir der Ausgang verwehrt war, schlüpfte ich geschwind hinter die verbliebenen Vorhänge und betrachtete durch einen Spalt das Geschehen. Die Wallfahrer und Pilger versammelten sich schweigend, Dorfbewohner in ihren besten Kleidern und dem Geruch nach auch überwiegend frisch gewaschen, plapperten nur ganz leise. Die Mönche hatten weiße, mit Gold bestickte Überwürfe an, und als sie geschlossen in den Chorraum traten, herrschte plötzlich vollkommene Stille. Sie wirkten eindrucksvoll. Eindrucksvoll traten auch die Edlen unter denMenschen auf. Ein blonder Herr in schimmernder Seide schritt mit einem ähnlich kostbar gewandeten Gefolge durch die Menge, und jemand flüsterte ehrerbietig: »Der Herr Sivert von Rommerskirchen!«
    Es folgte eine ähnlich elegante Gruppe, angeführt von einer stolzen Dame in Schwarz, der zwei sehr viel

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